Um dem Bündnis beizutreten, schicken Sie bitte eine E-Mail an gegenpolizeigewalt[at]servus.at mit dem Text: "Ich unterstütze das Bündnis gegen Polizeigewalt - Für Demonstrationsfreiheit"
UVS-Urteil: Polizeigewalt am 1.Mai 2009 war rechtswidrig
[Pressemitteilung zur 1. Mai Demo09, Linz, 13.07.2011]
UVS-Urteil: Polizeigewalt am 1.Mai 2009 war rechtswidrig
Nun ist es soweit. Nach über 2 Jahren, 5 Freisprüchen und einer erfolgreichen Verfassungs- klage ist der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) zu einem Urteil gekommen. Die Gewalt von Seiten der Polizei gegen die Maidemonstranten war rechtswidrig.
Es handelt sich bei den Beschwerdeführern um jene beiden Demonstranten, die in der zu trauriger Berühmtheit gelangten und vom ORF gefilmten Knüppelszene am 1. Mai 2009 geschlagen, aus dem Kessel gezerrt und verhaftet wurden. Beide wurden später vom Vorwurf des Widerstands freigesprochen und beschwerten sich beim UVS über die unangemessene Polizeigewalt. Nachdem sich der UVS in einem ersten Verfahren für nicht zuständig erklärt hatte, klagten beide vor dem Verfassungsgerichtshof und bekamen Recht. Der VfGH hob eine Passage der Strafprozessordnung auf und erzwang somit das Urteil des UVS.
Dieser kam durch Dr. Grof zu folgender Erkenntnis:
„Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Polizeidirektors der Stadt Linz am 1. Mai 2009 gegen die Beschwerdeführer war jeweils rechtswidrig.“
Die Begründung der Erkenntnis umfasst 21 Seiten und stellt der Polizei ein denkbar
schlechtes Zeugnis aus. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich alle Vorwürfe und Unterstellungen seitens der Polizei, von Sicherheitsdirektor Alois Lißl und Polizei-direktor Walter Wiedholm, in Luft aufgelöst haben. „Der Polizeieinsatz war insgesamt ein Skandal. Ohne die Videoaufnahmen wären vermutlich Unschuldige verurteilt worden“, so der Sprecher des Bündnis gegen Polizeigewalt Christian Diabl in einer ersten Bilanz der Causa. „Nach all den juristischen Erfolgen ist es bedenklich, dass ein solches Verhalten zu keinerlei Konsequenzen führt. Was muss noch geschehen, damit sich die Polizei endlich für ihr Verhalten rechtfertigt oder zumindest bei den Opfern entschuldigt?“, so Diabl abschließend.
VfGH erklärt Beschwerderegelung der StPO für verfassungswidrig
[Pressemitteilung zur 1. Mai Demo09, Linz, 10.06.2011]
Nach VfGH-Urteil reichen Demonstranten erneut Beschwerde beim UVS ein
Das juristische Nachspiel zur 1. Mai-Demonstration 2009 geht in die nächste Runde und hat nun sogar verfassungsrechtliche Konsequenzen. Wie berichtet hatte der UVS (Unabhängiger Verwaltungssenat) eine Beschwerde von zwei am 1. Mai Verhafteten mit dem Hinweis auf Nichtzuständigkeit abgewiesen. Es handelt sich dabei um jene Demonstraten, die in der zu trauriger Berühmtheit gelangten und vom ORF gefilmten, Prügelszene geschlagen und verhaftet wurden.
Daraufhin reichte Rechtsanwalt Mag. René Haumer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof ein, worauf der Gerichtshof eine Grundsatzentscheidung getroffen hat: Das Bundesministerium für Inneres wurde zur Zahlung der Prozesskosten verurteilt. Zudem wurde die entsprechende Passage in der StPO als verfassungswidrig aufgehoben.
„Mit Erkenntnis vom 16. Dezember 2010, G 259/09 ua., hat er ausgesprochen, dass die Wortfolge „oder Kriminalpolizei“ im ersten Satz des § 106 Abs. 1 StPO als verfassungswidrig aufgehoben wird.“1
Unser juristisches Vorgehen hat somit die Wiederherstellung einer einheitlichen generellen Beschwerdemöglichkeit beim UVS erreicht. Als Folge davon ist der UVS ab sofort doch für den Polizeieinsatz vom 1. Mai zuständig. Der UVS muss damit inhaltlich über die Beschwerden wegen unangemessener Polizeigewalt entscheiden.
Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen gegen 4 Polizisten ein –
ein Beamter muss jedoch Schmerzensgeld zahlen
Die Staatsanwaltschaft hat indessen die Ermittlungen gegen 4 Polizeibeamte eingestellt. Für uns ist dieser Schritt völlig unverständlich. Eine schriftliche Begründung der Einstellung wurde nun von den Opfern beantragt. Dann werden die Betroffenen über einen Antrag auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens entscheiden.
Ein weiterer Beamter nahm ein Diversionsangebot an, wonach er dem Vizerektor der Kunstuniversität Rainer Zendron 100 Euro Schmerzensgeld zahlen und sich bei ihm entschuldigen muss. Für den Beamten läuft nun eine einjährige Probezeit.
1http://gegenpolizeigewalt.servus.at/sites/gegenpolizeigewalt.servus.at/files/vfgh_entscheidung_02052011.pdf
Die Pressemitteilung als .pdf: http://gegenpolizeigewalt.servus.at/dokumente
VfGH erklärt Beschwerderegelung der StPO für verfassungswidrig – und was sich sonst noch tut
[Stellungnahme der Autonomen Rechtshilfe]
Seit der seit 2008 geltenden Strafprozessnovelle haben wir immer wieder erleben müssen, dass der Unabhängige Verwaltungssenat Maßnahmenbeschwerden bezüglich konkreter Amtshandlungen der Polizei aufgrund einer Rechtsunklarheit nicht zulässt und sich für unzuständig erklärt. Somit wurde Opfern von polizeilichem Fehlverhalten eine wichtige Möglichkeit genommen, gegen ein solches Beschwerde einzulegen und die Arbeit der Polizei einer gerichtlichen Nachprüfung zu unterziehen.
Die erste UVS Entscheidung und die Bescheidbeschwerde beim VfGH
Auch bei dem Prügeleinsatz der Polizei bei der 1. Mai Demo 2009 in Linz wurden Demonstrant_innen verprügelt und mit (unangemessener) Gewaltanwendung festgenommen. Daraufhin mussten sich diese auch noch vor Gericht wegen „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ verantworten, wurden jedoch alle freigesprochen. Gleichzeitig entschieden sich zwei der Betroffenen mit der Unterstützung ihres Anwaltes und der Rechtshilfe eine Beschwerde gegen das Vorgehen der Polizei beim UVS einzubringen. Kritisiert wurden darin unter anderem Art und Umstand der Festnahme, die Verletzung durch verbotenen Waffeneinsatz und die Fesselung während der Anhaltung.
Der UVS stellte in einer Verhandlung im Mai 2010 zwar grundlegend klar, dass eine Einkesselung aufgrund des Vorwurfs der Vermummung verfassungswidrig ist – weil eine Verwaltungsübertretung zu keiner kollektiven Einschränkung der grundrechtlich garantierten Versammlungsfreiheit führen darf – wollte aber zu den konkret kritisierten polizeilichen Zwangsmaßnahmen gegen die beiden Betroffenen keine Stellung beziehen, da sich der UVS durch die neue StPO dafür nicht zuständig fühlte. (rechtshilfe.servus.at/archiv)
Der UVS argumentierte die Ablehnung damit, dass durch die neue gesetzliche Regelung in der Strafprozessordnung eine Beschwerde beim UVS angeblich nur mehr möglich ist wenn die Amtshandlung im Bereich der sicherheitspolizeilichen Agenden (eigenmächtiger Handlungen ohne konkrete Straftat im Dienste von Sicherheit und Ordnung) angesiedelt ist und nicht in den kriminalpolizeilichen (nach einer Straftat als Strafverfolgung im Dienste der Justiz). Die Polizei legitimierte ihr Amtshandlung jedoch mit einem vorher angeblich gesetzen Straftat (Widerstand). Der UVS nahm bei seiner Argumentation Bezug auf den § 106 Abs 1 StPO und dessen Interpretation, dass eine Prüfung der Angelegenheit nur durch ein ordentliches Gericht zu erfolgen hat (die ungleich aufwändiger und teurer ist). Die beiden Betroffenen richteten daraufhin eine Bescheidbeschwerde an den Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und Anwendung einer rechtswidrigen Norm (Gesetz). Dass die beiden in der Zwischenzeit vom Vorwurf des Widerstandes freigesprochen wurden und somit im Nachhinein festgestellt worden ist, das keine Straftat vorgelegen hat sei nur am Rande erwähnt. Mehr zu dieser Beschwerde und dem zugegeben etwas komplizierten juristischen Sachverhalt: rechtshilfe.servus.at/archiv Der VfGH folgte unserem Begehren und der Beschwerde und änderte kurzerhand das Gesetz.
Wortfolge "oder Kriminalpolizei" verfassungswidrig -
Wiederherstellung einer einheitlichen generellen Beschwerdemöglichkeit beim UVS!
Anfang Mai 2011 urteilte der Verfassungsgerichtshof, dass der UVS in diesem Fall doch zuständig ist und die Beschwerdeführer durch die Ablehnung des UVS in ihren Rechten verletzt worden sind. Schön zu lesen ist auch die Formulierung:
„Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführern […] die Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.“[1]
Inhaltlich bezieht sich der VfGH auf eine zuvor getroffene grundsätzliche Entscheidung in einem Gesetzesprüfungsverfahren aus dem Dezember 2010, die auch unter anderem aufgrund der Beschwerde der beiden Betroffenen aus Linz zustande gekommen ist:
„Mit Erkenntnis vom 16. Dezember 2010, G 259/09 ua., hat er ausgesprochen, dass die Wortfolge „oder Kriminalpolizei“ im ersten Satz des § 106 Abs. 1 StPO als verfassungswidrig aufgehoben wird.“[1]
Somit wurde eine bisher geltendes Gesetz durch den VfGH abgeändert, weil es der Verfassung widerspricht. Dies deswegen, da durch das neue Gesetzt (StPO) die Gewaltentrennung (von Polizei und Justiz) in Frage gestellt wurde und somit der Trennungsgrundsatz im Bundes-Verfassungsgesetz [2]. Dass dies der Fall ist, war zumindest dem BMI schon nach dem ersten Gesetzesentwurf bewusst, aber der Widerspruch zur Verfassung wurde in Kauf genommen. Akte der Kriminalpolizei im Dienste der Strafverfolgung ohne Vorliegen einer staatsanwaltlichen Anordnung oder gerichtlichen Bewilligung sind verwaltungsbehördliche Akte und somit nicht vom Gericht sondern eben dem Verwaltungssenat zu prüfen. Weiters war für diese Entscheidung ausschlaggebend, dass Rechtsschutzsuchende so viel Klarheit wie möglich erwarten dürfen, wo und wie sie Beschwerde einlegen können. Mit der Doppelzuständigkeit von UVS und Gericht und der nicht eindeutigen Interpretation der Gesetzesstellen in der neuen StPO war dies nicht möglich. Nach der EMRK (Europäischen Menschenrechtskonvention) steht aber jeder und jedem das Recht auf eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz gegen eine behauptete Verletzung von Rechten und Freiheiten zu. Mit dem Wegfall der beiden Wörter besteht wieder Rechtsklarheit und der UVS darf sich wieder zuständig fühlen. Wir dürfen nun wieder gegen jegliche polizeilicher Amtshandlung (vor allem Akte unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt) – egal auf welcher gesetzlichen Grundlage diese vollzogen werden – beim UVS Beschwerde einlegen. Infos dazu: rechtshilfe.servus.at/infos-und-tipps
Neuerlicher Anlauf
Da die Aufhebung eines Gesetzes (oder einer Formulierung in einem Gesetz) durch den VfGH auch auf den Anlassfall zurück wirkt, steht es nun den Betroffenen frei erneut den UVS zu bemühen. Dazu haben sich die beiden schon entschlossen. Nun, nach mehr als zwei Jahren, kann es endlich zu einer gerichtlichen Nachprüfung der Amtshandlung(en) kommen. Nach über einem Jahr Pause geht es nun wieder weiter.
Gleichzeitig hat die Staatsanwaltschaft Linz entschieden, dass die Verfahren (Untersuchungen) gegen die vier an Prügelei und Verhaftungen beteiligten Polizisten eingestellt werden, da ihrer Ansicht nach „kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung besteht“. Diese Benachrichtigung beinhaltet keinerlei Begründung. Damit wollen sich die Betroffenen nicht abfinden. Daher wird nun eine Begründung der Einstellung verlangt, in der die Staatsanwaltschaft ausführen muss welche Tatsachen und Erwägungen der Einstellung zugrunde liegen. Danach kann dann ein Fortführungsantrag gestellt werden über den das Landesgericht zu entscheiden hat. Die Szene die dabei im Mittelpunkt steht ist unter anderem jener brutaler Angriff einer Polizeieinheit auf eingekesselte Demonstranten und die danach folgenden Verhaftungen die auch filmisch festgehalten wurden und schon Berühmtheit erlangten. Mit Spannung erwarten wir nun die erneute Verhandlung vor dem UVS und die Begründung der Staatsanwaltschaft.
Probezeit für einen Polizisten
Jener Polizist, der Rainer Zendron von hinten mit einem Schlagstock traktierte, hat in der Zwischenzeit von der Staatsanwaltschaft eine Diversion (Einstellung des Verfahrens gegen Erfüllung bestimmter Leistungen) angeboten bekommen und hat diese auch angenommen. Somit ist er ohne Verurteilung davon gekommen. Die Diversion sieht so aus, dass von der Fortführung des Strafverfahrens abgesehen wird, wenn dieser Polizist sich innerhalb eines Jahres wohlverhält (Probezeit) und zudem (zuzüglich den Verfahrenskosten) ein Schmerzengeld in der Höhe von € 100,00 an Rainer Zendron bezahlt. Die von der Staatsanwaltschaft in die Wege geleitete diversionelle Erledigung ist über Weisung des Justizministeriums erfolgt (schon wieder eine Weisung). Die Staatsanwaltschaft hatte ursprünglich vor, einen Strafantrag einzubringen. Dessen Strafverfahren im Hinblick auf den Vorwurf des Amtsmissbrauchs wurde gänzlich eingestellt.
Gegen einen weiteren Beamten der auf Zendron einschlug wurde das Ermittlungsverfahren wegen Notwehr bzw. Irrtum über eine rechtfertigende Notwehr eingestellt.
Autonome Rechtshilfe (Linz)
[1]http://gegenpolizeigewalt.servus.at/sites/gegenpolizeigewalt.servus.at/files/vfgh_entscheidung_02052011.pdf
[2]Artikel 94. B-VG: Die Justiz ist von der Verwaltung in allen Instanzen getrennt.
UVS hob Strafverfügung wegen 1. Mai 2009 auf
[29.9.2010, Linker Pressedienst - Herausgegeben vom KPÖ-Landesvorstand Oberösterreich]
Ungesetzliche Handlungsweise der Polizei neuerlich bestätigt
Die Aufhebung der Strafverfügung der Polizeidirektion Linz gegen KPÖ-Landessprecher Leo Furtlehner als Anmelder der Demonstration des überparteilichen Aktionskomitee 1. Mai durch den Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS) ist eine weitere Bestätigung für die Willkür der Polizeiübergriffe am 1. Mai 2009 in Linz.
"Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt" heißt es wörtlich im Entscheid des UVS vom 23. August 2010. Furtlehner war von der Polizeidirektion vorgeworfen worden, als Versammlungsleiter nicht für die Einhaltung des Vermummungsverbotes gesorgt und die Versammlung nicht aufgelöst zu haben.
In der Berufung wurde dazu angeführt, dass es die Behörde unterlassen habe eine "erkennbare Differenzierung zwischen Parteivorbringen" und der "rechtlichen Beurteilung" vorzunehmen. Die Feststellungen des amtshandelnden Polizeibeamten würden "sich jedoch nicht mit dem objektivierbaren Ablauf des Geschehens decken", weil beim Eintreffen des Behördenvertreters "jedenfalls keine vermummten Personen mehr anwesend" waren. Das Einschreiten der Polizei habe nicht darauf abgezielt, Vermummungen abzulegen, sondern eine Gruppe von Personen einer Identitätsfeststellung zu unterziehen.
Wie der UVS feststellt folgten die angesprochenen DemonstrantInnen sehr wohl der Aufforderung zur Verhüllung geeignete Gegenstände abzunehmen. Laut einem von der Polizei zu den Gerichtsverfahren beigebrachten Video war im relevanten Zeitraum jedenfalls keine Person vermummt. Hinsichtlich des Vorwurfs der Vermummung ist laut UVS festzustellen, dass das Tragen einer Kapuze, einer schwarzen Sonnenbrille oder eines Halstuches "per se nicht geeignet ist, den Tatbestand dieser Norm zu erfüllen", allenfalls eine
Kombination davon.
"Nach den Freisprüchen wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt und einer UVS-Entscheidung, wonach durch den Polizeieinsatz das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verletzt und ein Teil der DemonstrationsteilnehmerInnen zu Unrecht von der Exekutive eingekesselt wurden bestätigt der UVS nunmehr nochmals, dass die Vorgangsweise der Polizei ungesetzlich war, die dazu geführt hat, dass erstmals seit Kriegsende in Linz eine Maidemonstration verhindert wurde", so Furtlehner.
Die KPÖ verlangt daher neuerlich Konsequenzen bei der Exekutive, vor allem den Rücktritt von Sicherheitsdirektor Alois Lißl. Der Polizeiapparat hat sich mit den gewalttätigen Übergriffen gegen friedliche DemonstrantInnen und der Verhinderung einer ordnungsgemäß angemeldeten Maidemonstration einen gewaltigen Imageschaden zugefügt und das Vertrauen in die Exekutive massiv erschüttert.
"Es ist vor allem dem Druck des von 170 Organisationen und Gruppen sowie 735 Einzelpersonen, darunter zahlreichen namhaften SchriftstellerInnen, KünstlerInnen, Betriebs- und GemeinderätInnen unterstützten "Bündnisses gegen Polizeigewalt" zu verdanken, dass es der Exekutive nicht gelang ihre Verantwortung unter den Teppich zu kehren" betont Furtlehner die Bedeutung einer kritischen zivilgesellschaftlichen Öffentlichkeit.
Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof
Zwei der Betroffenen der polizeilichen Überreaktion am 1. Mai 2009 in Linz hatten beim UVS Maßnahmenbeschwerden eingebracht, da sie sich in ihren subjektiven Rechten verletzt fühlten. Dabei ging es um die brutale Behandlung der Festgenommenen. Kritisiert wurden darin unter anderem Art und Umstand der Festnahme, die Verletzung durch verbotenen Waffeneinsatz und die Fesselung während der Anhaltung. Nicht das erste mal erklärte sich der eigens dafür eingerichtete Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) bei einer solche Beschwerde für nicht zuständig und wies, mit dem Verweis auf die seit Anfang 2008 geltende neue Strafprozessordnung, die Beschwerde ab.
Bescheidbeschwerde
Die beiden Betroffenen richteten daraufhin eine Bescheidbeschwerde an den Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und Anwendung einer rechtswidrigen Norm. Letzteres soll heißen, dass die herangezogene bzw. geltende Rechtslage die Betroffenen in ihrem Recht die Amtshandlung prüfen zu lassen rechtswidrig einschränkt. Die konkreten Beschwerdepunkte wie Einkesselung, die Verhaftung an sich, Stockschläge, an den Haaren ziehen, am Boden schleifen etc. lassen wir nun einmal beiseite, jetzt geht es um die prinzipielle Frage ob solche Beschwerden beim UVS überhaupt berechtigt sind.
In der Beschwerde an den VfGH wird davon ausgegangen, dass das Recht auf ein Verfahren verletzt wurde, da der UVS in gesetzwidriger Weise seine Zuständigkeit ablehnt und zu unrecht eine Sachentscheidung verweigert. Der Rechtsinterpretation des UVS wird entgegengestellt, dass die gesamte Amtshandlung ohne einen staatsanwaltschaftlichen Auftrag oder einer staatsanwaltschaftlichen Anordnung erfolgt ist und die Polizei im Rahmen ihrer sicherheitspolizeilichen Kompetenz tätig wurde. Dieses Verständnis wird auch durch die Ergebnisse der Gerichtsverhandlungen bestärkt, durch die alle Beschuldigten vom Vorwurf des Widerstands gegen die Staatsgewalt freigesprochen wurden. Wenn nun die Betroffenen unschuldig sind, gibt es kein strafrechtliches Delikt, wodurch die Anwendung der StPO bei der Amtshandlung auch im Nachhinein durch das Gericht deligitimiert wurde. Daher ist die gesamte Amtshandlung der Verwaltungsbehörde zuzuordnen und eine Maßnahmenbeschwerde gerechtfertigt.
Schlussendlich wird in dem Schreiben angeregt, ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten und im § 106 Abs 1 StPO die Wortfolge "oder Kriminalpolizei" als verfassungswidrig aufzuheben. Damit würde wieder Klarheit und Rechtssicherheit gegeben sein. Doch jetzt erst einmal der Reihe nach.
StPO-Novelle
Die umfangreiche StPO-Novelle 2007 legte fest, dass im Ermittlungsverfahren jeder Person, die behaupte, dadurch in einem subjektiven Recht verletzt worden zu sein oder, dass eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme seitens der Staatsanwaltschaft oder der Kriminalpolizei unter Verletzung von Bestimmungen der StPO angeordnet oder durchgeführt worden sei, die Möglichkeit eines Einspruches an das zuständige Gericht zustehe. Ein derartiger Einspruch sei gemäß § 106 Abs. 3 StPO bei der Staatsanwaltschaft einzubringen. Die bisherigen Bestimmungen zu Beschwerden im Verwaltungsrecht scheinen damit außer Kraft gesetzt, damit jedoch auch ein rechtsstaatliches Prinzip aufgehoben, dass durch die Europäische Menschenrechtskonvention verlangt wird. Die Betroffenen wurden der Möglichkeit beraubt beim Unabhängigen Verwaltungssenat eine Maßnahmenbeschwerde einzureichen. Der UVS kann heute, so scheint es, nur mehr seine funktionelle Unzuständigkeit festzustellen.
Motiv der Änderung war wohl ein einheitlicher strafprozessualer Rechtsschutz. Selbst das BMI hatte 2007 in einer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf dargelegt, dass der neue StPO Paragraph im Widerspruch zu geltenden verfassungsrechtlichen Regelungen (UVS) steht und somit die Einheitlichkeit weiterhin nicht gegeben sein wird.
Zuständigkeitsabgrenzung
Die in Rede stehenden Regelungen sind insoweit vorentscheidend, als sie das Verhalten der Kriminalpolizei betreffen, welches nicht der Staatsanwaltschaft zuzurechnen ist. Also für die Arbeit der Polizei im Auftrag der StA ist immer das Gericht als Beschwerdestelle zuständig. Falls die Polizei aus eigenen Antrieb agiert, besteht nun eine zweischneidige Zuständigkeit. Nach der alten Rechtslage war die Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate einerseits und der Gerichte andererseits bei der Überprüfung von polizeilichen Maßnahmen derart abgegrenzt, dass ohne richterlichen Befehl erfolgte Akte bei den unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern bekämpft werden konnten. Die durch einen richterlichen Befehl gedeckten Polizeiakte unterlagen hingegen der Überprüfung durch die Gerichte. Nach überwiegender Auffassung ist nun, da die kriminalpolizeilichen Aufgaben auch in der neuen StPO erwähnt sind, die Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate dahingehend eingeschränkt worden, dass nunmehr gegen Akte der Staatsanwaltschaft oder der Kriminalpolizei auf der Grundlage der Strafprozessordnung der Einspruch gemäß § 106 StPO an das Gericht und nicht mehr die Maßnahmenbeschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden kann.
Unklarheit bei der Amtshandlung
Die Polizei übt eine Doppelfunktion aus. Einerseits als Sicherheitspolizei (zum Schutz von Recht und Ordnung) und andererseits als Kriminalpolizei (Nachforschung aufgrund von strafbaren Handlungen). Eine Amtshandlung (z.B. Identitätsfeststellung) kann in der sicherheitspolizeilichen oder in der kriminalpolizeilichen Aufgabe der Exekutive begründet sein – oder in beiden. Mit für ein gerichtliches Strafverfahren erforderlicher Sicherheit ist individuell für die Betroffenen nicht festzustellen, auf Grund welcher Gesetzesbestimmung z.b. eine Festnahme ausgesprochen wird. Es ist für die Betroffenen nicht ersichtlich ob die Polizei als Sicherheitsbehörde nach dem SPG (Sicherheitspolizeigesetz) oder als Ermittlungsbehörde nach der StPO handelt. Ganz kompliziert wird es bei "doppelfunktionalen" Ermittlungen. Auf welche Rechtsgrundlage sich einschreitende Organe stützen, ist für Betroffene in der Regel nicht erkennbar. Diese Problematik besteht sowohl für die Rechtsunterworfenen (wir) als auch für die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Die sind auch selten Jurist_innen.
Nun müssen Betroffene eine funktionelle Zuordnung der Amtshandlung vornehmen, um den nunmehr zulässigen Rechtsbehelf (wo reiche ich die Beschwerde ein) eruieren zu können. Es ist daher in Frage zu stellen ob dies dem Grundsatz der ausreichenden Klarheit, Bestimmtheit und Kompetenzabgrenzung entspricht. Der Gesetzgeber muss jedoch die Behördenzuständigkeit nach objektiven Kriterien, exakt, klar und eindeutig festlegen.
Antrag des UVS Wien beim Verfassungsgerichtshof
Dieser Antrag brachte die ganze Sache ins laufen und ist durch eine Beschwerde begründet, in der ein Lehrer aus Wien Opfer einer Verwechslung mit einer des Suchtmittelhandels verdächtigen Person wurde. Der UVS Wien geht davon aus, dass die Strafprozessreform die Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate, über Beschwerden gegen kriminalpolizeiliche Maßnahmen, verdrängt.
Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit besteht darin, dass unbeteiligte Personen so gut wie nicht ergründen können wie eine Amtshandlung zu interpretieren ist, da diese im Verfahren der eigentlich Betroffenen der Amtshandlung keine Parteienstellung genießen und somit keinen Zugang zu den Akten haben, durch die ergründbar wäre auf welcher Grundlage die Amtshandlung vollzogen wurde. Diese Situation scheint dem antragstellenden UVS nicht im Einklang mit der österreichischen Bundesverfassung, aber auch dem Rechtsstaatsprinzip, zu stehen. Der Antrag beinhaltet weiter die Feststellung, dass die Auslegung dieser Gesetzesstellen nicht unzweifelhaft möglich ist. Wie wir es auch drehen und wenden, der Status quo widerspricht dem Recht auf eine wirksame Beschwerde.
Kritik des Verwaltungsgerichtshofs
Nachdem eine (andere) Maßnahmenbeschwerde beim UVS OÖ wegen Festnahme und behaupteter Misshandlung zurückgewiesen wurde stellte der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof den § 107 Abs. 1 ersten und zweiten Satz und im § 106 Abs. 1 StPO im Eingang die Worte "oder Kriminalpolizei“ der Strafprozessordnung als verfassungswidrig aufzuheben. In diesem Antrag wird auch klargelegt, dass gemäß der EMRK (Europäischen Menschenrechtskonvention) jeder und jedem das Recht auf eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz gegen eine behauptete Verletzung von Rechten und Freiheiten zusteht. Dies scheint durch die neue Unklarheit nicht gegeben zu sein. In einem weiteren Antrag an den VfGH erläutert der VwGH, dass sich daraus auch verfassungsrechtliche Bedenken im Lichte des Rechts auf den gesetzlichen Richter ergeben können. Der VwGH merkte darüber hinaus an, dass nun eine schwierige Auslegungsfrage betreffend die Reichweite der StPO vorliegt. Weiters wird angesprochen, dass ein Handeln eines Verwaltungsorgans ohne gerichtlichen Auftrag zwar der Verwaltung zuzurechnen ist nun jedoch keine Möglichkeit der Beschwerde beim Verwaltungssenat mehr besteht. Die neue Regelung widerspricht dem Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung.
Die Beschwerden, Anträge und Umformulierungsvorschläge an den Verfassungsgerichtshof werden stetig mehr und zumindest auf der Ebene der Justiz scheint ein Diskurs über die StPO losgetreten worden zu sein. Auf der Ebene des politischen werden wir nicht das Eingeständnis eines Fehlers zu erwarten haben. Zumindest die Polizei scheint mit der jetzigen Regelung sehr glücklich zu sein um sich einer wirksamen Kontrolle entziehen zu können und wird sich die neue Freiheit nicht nehmen lassen wollen. Es wird wohl der Verfassungsgerichtshof die Formulierung als verfassungswidrig erklären müssen um hier eine Veränderung herbei zu führen, das jedoch kann dauern.....
Autonome Rechtshilfe (Linz)
UVS Entscheidung zum 1. Mai 09: Einkesselung war rechtswidrig!
[Stellungnahme der Autonomen Rechtshilfe]
Unter dem Vorsitz von Hofrat Dr. Alfred Grof tagte am 19. Mai der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes OÖ. Rechtsanwalt René Haumer hatte im Namen von drei Verhafteten und mittlerweile freigesprochenen Demonstranten Maßnahmenbeschwerde beim Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS) eingereicht. Nach dem Abschluss aller Strafverfahren wurden diese Beschwerden nun verhandelt. In diesen geht es in erster Linie um die Frage ob und wie weit sich die einschreitenden Polizeibeamten bei den Verhaftungen nicht an das Sicherheitspolizeigesetz (in dem Rechte der Betroffenen formuliert sind) gehalten haben. So muss eine Amtshandlung wie das gewalttätige Durchsetzen einer Verhaftung erst angedroht werden nachdem auch alle gelinden Mittel versucht wurden – das scheint nicht ganz so gewesen zu sein. Szenen die dabei im Mittelpunkt standen, sind unter anderem der Angriff einer Polizeieinheit auf eingekesselte Demonstranten, sowie ein durch ORF-Aufnahmen dokumentierter Schlag gegen Rainer Zendron.
Bei der Verhandlung wurde anfänglich wieder einmal die schon von den anderen Verhandlungen bekannten Videosequenzen gezeigt. Danach folgten die Aussagen der drei Beschwerdeführer, die zum Teil sehr detailliert ihre Verhaftung und die dabei an den Tag gelegte Brutalität schilderten. Bei den vier geladenen Polizeibeamten pochte Anwalt Rene Haumer nur auf die Aussage von einem. Jener der Rainer Zendron einen „Drehschlag“ versetzte und bisher dazu noch nicht vor Gericht befragt wurde sollte nun einmal die Möglichkeit bekommen sich zu den Anschuldigungen zu äußern. Bezüglich des Schlages redete er sich auf die Richtlinien aus, bezüglich des abgebrochenen Schlagstockes auf dessen lange Gebrauchsdauer. Ins schwitzen kam er als er vom Anwalt gefragt wurde ob gegen ihn gerade eine gerichtliche Untersuchung in der Sache wegen „schwerer Körperverletzung unter Ausnutzung der Amtsstellung“ läuft. Das musste er mit „Ja“ beantworten, und kurz danach verlor er gänzlich die Fassung: „Ich mach mich doch für euch hier nicht zum Kasperl.“ Das bescherte ihm nach der Verhandlung eine Standpauke seines Vorgesetzten.
Einkesselung war rechtswidrig!
In der Verhandlung stellte der UVS fest, dass die Polizei mit ihrer Einkesselung eines Teils der 1.Mai-Demonstration 2009 rechtswidrig in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit eingegriffen hat. Ein Verdacht auf eine Verwaltungsübertretung reicht nicht aus, um das in der Verfassung garantierte Grundrecht auf Versammlungsfreiheit aufzuheben.
Im Verfahren wurde auch zusätzlich die Brutalität der Polizei bei den Festnahmen gerügt. Für eine diesbezügliche Sachentscheidung konnte sich der UVS aufgrund bestimmter gesetzlicher Normen nicht zuständig erklären, obgleich hinsichtlich dieser Normen der Verwaltungsgerichtshof eine Überprüfung der Verfassungskonformität beim Verfassungsgerichtshof bereits initiiert hat. Kritisiert wird vom UVS, dass es Betroffenen durch die StPO verunmöglicht wird beim UVS eine Maßnahmenbeschwerde einzureichen. Es gilt abzuwarten, ob der Verfassungsgerichtshof die Verfassungswidrigkeit dieser Normen feststellt und diese als rechtsunwirksam aufhebt. Andernfalls unterläge ein rechtswidriges Einschreiten der Polizei kaum noch einer effektiven Nachkontrolle.
In der Begründung führt der UVS aus, „dass das Grundrecht der Versammlungsfreiheit ein für eine funktionierende Demokratie höchst essentielles Recht darstellt. In dieses Recht darf nur dann eingegriffen werden, wenn ein Fehlverhalten der Versammlungsteilnehmer zweifelsfrei vorliegt und dabei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wird. Betreffend die beiden Beschwerdeführer konnte zu keinem Zeitpunkt sicher festgestellt werden, dass sich diese vermummt hatten. Das polizeiliche Vorgehen war somit anfänglich unverhältnismäßig.“
Das Bündnis gegen Polizeigewalt begrüßte die Entscheidung des UVS: „Abseits der strafrechtlichen Konsequenzen ging es uns immer auch um die demokratiepolitischen Aspekte der Ereignisse vom 1. Mai 2009“ hielten die Bündnissprecher_innen fest.
Antrag auf Unzuständigkeit
Wie zu erwarten versuchte die Bundespolizeidirektion durch die Sicherheits- und Kriminalpolizeiliche Abteilung in einer Gegenschrift zu den vom Anwalt der Betroffenen eingebrachten Maßnahmenbeschwerde diese mit dem Verweis abschmettern, die Amtshandlung sei auf Grundlage der Strafprozessordnung (StPO) erfolgt. Eine Amtshandlung kann entweder aufgrund der StPO (Strafprozessordnung) oder des SPG (Sicherheitspolizeigesetz) erfolgen, doch nur wenn das SPG Grundlage war ist eine Beschwerde wegen Fehlern bzw. der Verletzung individueller Freiheitsrechte beim Unabgängigen Verwaltungssenat möglich. Bei der StPO ist ein ungleich aufwändigeres Verfahren bei Gericht anzustrengen. Mit dieser Taktik versucht die Polizei seit die neue StPO in Kraft ist alle Kritik an ihrem Vorgehen abzublocken. Einen ausführlicheren Text zu diesem Sachverhalt finde ihr unter: Identitätsfeststellung: SPG oder StPO?
Dies ist ihnen nun wieder einmal gelungen. Dies war der Grund warum sich der UVS in allen anderen vorgebrachten Beschwerden als unzuständig erklären musste. Hofrat Dr. Alfred Grof sah sich veranlasst sich fast dafür zu entschuldigen und verwies auf die oben angesprochene Überprüfung der Verfassungskonformität beim Verfassungsgerichtshof. Zur Zeit sei dem UVS aber noch die Hände gebunden. Die schriftliche Begründung des Urteils wird es frühestens in einer Woche geben und wird dann in der Downloadabteilung auf der Homepage vom Bündnis veröffentlicht: http://gegenpolizeigewalt.servus.at
Strafanträge gegen Polizisten
Da gibt es immer noch nichts neues. Der zuständige Staatsanwalt hat zwar schon eine Entscheidung getroffen musste diese – aufgrund des großen öffentlichen Interesses – in einem Berichtsakt an die Oberstaatsanwaltschaft weiter leiten. Dieser wird nun die Entscheidung treffen. Daher heißt es weiter: bitte warten...
Autonome Rechtshilfe (Linz)
rechtshilfe.servus.at
„Freispruch-Party“@stwst
Freitag, 4. Juni 2010 – 21.00 Uhr
Am 4. Juni laden KAPU und Stadtwerkstatt zu einem gemütlichen Abend, um das einjährige Bestehen des „Bündnis gegen Polizeigewalt“ zu feiern und die unerwartete Freispruch-Serie gebührend zu feiern.
Das Bündnis gründete sich spontan nach den Polizeiübergriffen auf die alternative Maidemonstration 2009 und wird von mehr als 180 Organisationen und Initiativen mitgetragen. Damals wurde die Demo von der Exekutive unter fadenscheinigen Begründungen eingekesselt und schließlich mit großer Brutalität zerschlagen, fünf Personen verhaftet und wegen Widerstand und schwerer Körperverletzung angezeigt. In spektakulären Prozessen wurden sämtliche Beschuldigte freigesprochen. Das Bündnis kümmerte sich vor allem um die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit - und das mit Erfolg.
Eines hat die Polizei jedenfalls geschafft. Das alternative und progressive Linz ist enger zusammengerückt, neue Allianzen entstanden, Freundschaften über politische Grenzen hinweg wurden geschlossen und die Linke durfte feststellen, was möglich ist, wenn sie zusammenarbeitet und kleinkarierte Grabenkämpfe beiseite lässt.
Da es für unsereins in Österreich nicht so oft was zu feiern gibt, möchten wir die Gelegenheit nutzen und gemeinsam trinken, tanzen, diskutieren und Bilanz ziehen. Alle Freund_innen, Sympathisant_innen und Interessierte sind herzlich eingeladen.
Den Dancefloor bringen an diesem Abend zum Brodeln: DJ Avarage, DJ Simpson, DJ Well-cop und aus dem Bordercross Kollektiv DJ Kid Sparrow. Der Abend wird erweitert mit
Volxküche, Tonnen an Infomaterial, Polizeivideos vom 1. Mai uvm.
UVS-Entscheidung: Einkesselung am 1. Mai war rechtswidrig
Presseerklärung 19. Mai 2010
Rechtsanwalt René Haumer hatte im Namen von drei Verhafteten und mittlerweile freigesprochenen Demonstranten Beschwerde beim Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS) eingereicht. Nach dem Abschluss aller Strafverfahren wurden diese Beschwerden heute Vormittag verhandelt.
In der Verhandlung stellte der UVS fest, dass die Polizei mit ihrer Einkesselung eines Teils der 1. Mai-Demonstration 2009 rechtswidrig in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit eingegriffen hat. Ein Verdacht auf eine Verwaltungsübertretung reicht nicht aus, um das in der Verfassung garantierte Grundrecht auf Versammlungsfreiheit aufzuheben.
Im Verfahren wurde auch zusätzlich die Brutalität der Polizei bei den Festnahmen gerügt. Für eine diesbezügliche Sachentscheidung konnte sich der UVS aufgrund bestimmter gesetzlicher Normen nicht zuständig erklären, obgleich hinsichtlich dieser Normen der Verwaltungsgerichtshof eine Überprüfung der Verfassungskonformität beim Verfassungsgerichtshof bereits initiiert hat. Es gilt abzuwarten, ob der Verfassungsgerichtshof die Verfassungswidrigkeit dieser Normen feststellt und diese als rechtsunwirksam aufhebt. Andernfalls unterläge ein rechtswidriges Einschreiten der Polizei kaum noch einer effektiven Nachkontrolle.
Weiter offen ist die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, ob und wieviele Polizeibeamte sich vor Gericht verantworten müssen.
„Das Bündnis gegen Polizeigewalt begrüßt die Entscheidung des UVS ausdrücklich. Abseits der strafrechtlichen Konsequenzen ging es uns immer auch um die demokratiepolitischen Aspekte der Ereignisse vom 1. Mai 2009“, halten die BündnissprecherInnen Vanessa Gaigg und Christian Diabl fest.
„Die heutige Entscheidung untermauert unsere grundsätzliche Kritik an dem Polizeieinsatz. Angebliche Verwaltungsübertretungen können keinesfalls die Aufhebung der Versammlungsfreiheit rechtfertigen“, so Gaigg und Diabl weiter.
„Das Urteil ist ein wichtiger Schritt zur Widerherstellung der Demonstrationsfreiheit und zur politischen Aufarbeitung des Polizeieinsatzes“, so Gaigg und Diabl abschließend.
Rückfragehinweis: Christian Diabl, Vanessa Gaigg 0650/2728398 http://gegenpolizeigewalt.servus.at, gegenpolizeigewalt@servus.at
Der Akt des .BAK und das lange Warten
Nun wo wir uns schon wieder auf den heurigen 1.Mai am Samstag freuen und sich schon viele daran gewöhnt zu haben scheinen dass die juristische Prozedur mit den Freisprüchen abgeschlossen ist, möchten wir kurz in Erinnerung rufen, dass die auch stark vom Bündnis gegen Polizeigewalt geforderte „lückenlose Aufklärung des Polizeieinsatzes“ immer noch auf sich warten lässt. Musste sich der erste Demonstrant schon nach 1½ Monate nach dem 1.Mai vor Gericht verantworten wird die genauere gerichtliche Betrachtung der Taten der Polizei immer weiter hinaus gezögert. Die Bilanz des Feiertages im letzten Jahr ist erschütternd. 20 Verletzte, fünf Festnahmen, gegenseitige Schuldvorwürfe und die Tatsache, dass erstmals seit 1945 ein Maiaufmarsch nicht durchgeführt werden konnte.
Der Einsatz soll noch auf zwei Ebenen unter die Lupe genommen werden. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat sich aufgrund von Beschwerden Betroffener mit unrechtem Verhalten von Polizeibeamt_innen bei Verhaftungen zu widmen und das Gericht mögliche strafrechtlich relevante Vergehen zu untersuchen.
Die UVS Verhandlung beginnt (hoffentlich bald)
Am 12. April war das erste (organisatorische) Treffen vor dem UVS bezüglich der Beschwerden die von den Freigesprochenen über ihren Anwalt eingebracht wurden. Dabei geht es in erster Linie um die Frage ob und wie weit sich die einschreitenden Polizeibeamten nicht an das Sicherheitspolizeigesetz (in dem Rechte der Betroffenen formuliert sind) gehalten haben. So muss eine Amtshandlung wie das gewalttätige Durchsetzen einer Verhaftung erst angedroht werden nachdem auch alle gelinden Mittel versucht wurden – das scheint nicht ganz so gewesen zu sein. Wie erwarten, dass die Verhandlungen im Mai zügig voranschreiten.
Die Polizei hat erfolglos versucht die Unzuständigkeit des UVS nach formalen Gesichtspunkten zu argumentieren. Mittlerweile hat der UVS sich inhaltlich für zuständig erklärt.
Immer noch keine Entscheidung der Korruptionsstaatsanwaltschaft
Die Korruptionsstaatsanwaltschaft hat sich immer noch nicht entschieden, ob und wieviele Polizisten sich vor Gericht verantworten müssen. Eigentlich ist diese Entscheidung mit Ende März in Aussicht gestellt worden. Der Akt vom 'Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (.BAK)' liegt schon recht lange auf dem Schreibtisch von Staatsanwalt Mag. Philip Christl, der die gerichtlichen Untersuchungen leitet und dem die Entscheidung obliegt gegen wen und in mit welchem Vorwurf ein Strafantrag gestellt wird.
Es ist nun an der Zeit Klartext zu reden und so erwarten wir von der Korruptionsstaatsanwaltschaft sofort eine Aussage was diese gedenkt zu tun. Anwalt René Haumer rechnet damit, dass es noch diese Woche zu einer Entscheidung kommen wird.
Der Akt des .BAK
Allein der Akt des BAK ist 156 Seiten stark und umfasst neben Informationen zu schon bekannten skandalösen Polizeipraxen (Absprache über Aussagen via Mail, unhinterfragt unterzeichnete Amtsvermerke etc.) vor allem Aussagen der Beschuldigten und von Zeug_innen sowie ein Einsatzablauf-Protokoll vom 1.Mai 2009, Dienstbefehle, eine Waffengebrauchserhebung und Lagebeurteilungen. In dem Einsatzablauf-Protokoll ist unter anderem zu lesen:
„11:11 S: Weisung der Behördenvertreter: Abmarsch der vermummten Gruppe ist zu unterbinden, ID Feststellung durchführen“
„12:48 S: Magazin einer Dienstwaffe wurde verloren...“
„13:01 Das Gegenüber ist bewaffnet. SB: Frosch und Rettung wurden verständigt.“
„13:16 S: Neuerlicher Gewaltausbruch, mehrere Festnahmen. Lentos 1 ordnet Helm auf an.“
In der Auflistung vom Gebrauch vom Körperkraft, Pfefferspray und Einsatzstock werden insgesamt 37 Waffengebräuche aufgelistet. Unter dem Punkt 'Unbeteiligte' ist lapidar zu lesen: „Kaum, jedoch nicht sicher.“
Auch die stark abweichenden Zahlen machen stutzig, so ist in einem Bericht zu lesen „Insgesamt waren ca. 400 Versammlungsteilnehmer eingetroffen.“ wobei anderswo alleine von „ca. 300 – 400 Personen aus der linkstendenziösen und Antifa-Szene“ die Rede ist (beide Berichte wurden noch am 1.Mai verfasst).
In den Abschluss-Berichten des BAK werden gegen sechs Polizeibeamte der Verdacht auf Missbrauch der Amtsgewalt; Strafbare Handlungen unter Ausnützung einer Amtsstellung und Körperverletzung erhoben. Dass zumindest jener Polizist, der vor laufender ORF-Kamera einen Schlag gegen den schon zu Boden gehenden Rainer Zendron augesführt hatte, mit einer Anklage rechnen muss scheint wahrscheinlich. Weitere Polizisten, die in der Sachverhaltsdarstellung der Verteidigung thematisiert wurden (es geht um die mittlerweile berühmte Prügelaktion, die vielfach dokumentiert wurde), versuchen ihr Verhalten damit zu verteidigen, sie hätten rechtskonform nach den Einsatzrichtlinien gehandelt. So gibt ein Beschuldigter zu Protokoll, dass „wir so maßhaltend wie möglich aber auch effizient wie nötig und entsprechend den Einsatzrichtlinien vorgegangen sind. […] Zur Anzahl der Schläge führe ich an, dass ich die ersten Schläge trotz vollem Bewegungsumfang (weil so trainiert und geschult wird) äußerst maßhaltend durchgeführt habe, um bei gleichzeitiger psychologischer Wirkung eine wenigst mögliche Beeinträchtigung des Gegenübers hervorzurufen.“ Wir kennen diese Geschichte schon von den Aussagen der Polizisten vor Gericht – können sie aber immer noch nicht glauben. Dieser Beamte spricht auch anfänglich von „ein paar Schläge“ und ändert seine Aussage nach der neuerlichen Betrachtung des ORF-Videos auf „mehrmals zugeschlagen“. Wir haben 15 gezählt.
Auch der Schläger von Rainer Zendron verweist auf seine Ausbildung: „[...] drehte ich mich kurz zur Seite und machte dass, was in der Einsatzeinheit gelernt hatte: ich wollte bei ZENDRON einen kurzen Schmerzreiz setzen, damit die Kollegen die Festnahme durchführen konnten, indem ich einen Rotationsschlag mit dem Einsatzstock machte und auf den Oberschenkel des ZENDRON zielte.“ (getroffen hat er den Rücken) […] „Es war ein dosierter Schlag um den Widerstand des ZENDRON zu brechen.“ „Mein Schlag war nicht wahllos oder grundlos geführt, sondern um endlich den Abtransport des ZENDRON zu ermöglichen und dadurch die aufgebrachte Menge wieder besser in den Griff zu bekommen.“
Die Paranoia nimmt Gestalt an
Das Aktenmaterial gibt auch Hinweise darauf, wie es zu der massiven Behinderung der 1.Mai Demo kommen konnte. Alles scheint mit einem mit dem Vermerk „VERTRAULICH“ gekennzeichneten Bericht vom 20. April 2009 des Analysten vom Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung seinen Anfang zu nehmen. In diesem werden mögliche Gefährdungspotentiale am 1.Mai bewertet und begründet. Zur alternativen 1. Mai Demo ist darin zu lesen: „An der Kundgebung des Aktionskomitees, sprich der KPÖ OÖ nehmen, wie dies auch in den letzten Jahren der Fall war, auch Angehörige jener am äußersten Rande der politischen Linken angesiedelten Organisationen, nämlich der Anarcho-Szene, aber auch „Freie Radikale“ teil, welche sich unter anderem mittlerweile auch tatkräftig im „Kampf gegen Rechts“ engagieren.“ Wenn das kein Grund für eine Infragestellung des Demonstrationsrechtes und für die Verhinderung der 1.Mai Demo ist!
Doch auch die von uns durchaus nicht in Frage gestellten Gefahren werden benannt: „Dennoch sind Provokationsversuche Angehöriger rechtstendenziöser Gruppen nicht gänzlich auszuschließen“[...] „Zumal immer wieder bestimmte Überschneidungen zwischen den Sympathiesanten der Strache-FPÖ und Angehöriger rechtstendenziöser Gruppierungen feststellbar sind,[...]“ Na, wenn das mal nicht eine klare Aussage ist.
In einer „Lagebeurteilung 1.Mai Aufmärsche – Ergänzung“ vom 30. April 2009 ist dann schon eine Verschärfung der Gangart vorgezeichnet: „Es wäre darauf zu achten, dass beim Sammeln bzw. beim Wegmarsch unbedingt das Vermummungsverbot eingehalten wird und etwaige Vermummungsverbote (sic!) bereits vor dem Abmarsch zu verhindern sind“ Daraus scheint sich die oben schon angeführte „Weisung der Behördenvertreter: Abmarsch der vermummten Gruppe ist zu unterbinden, ID Feststellung durchführen“ zu resultieren.
Da sich viele Personen im Kessel weigerten ihre Identität und diesen Umständen preiszugeben und die Demonstration zu verlassen entschied man sich in der Einsatzleitung dafür, die Demonstranten gewaltsam aus dem Kessel zu entfernen. Vor Ort verantwortlich waren Behördenvertreter Hofrat Mag. F, Einsatzleiter Obstlt. M. und EE-Kommandant P. Letzterer dazu: „Hofrat Mag. F. Obstlt. M. und ich wägten alle „Für und Wieder“ ab und entschlossen uns dann die Situation auf der Blumau zu beenden.“ Und weiter: „Als ich S. den Auftrag gab, war mir bewusst, dass ein Herausholen der Rädelsführer wahrscheinlich nicht ohne Anwendung von Körperkraft gehen wird.“ Für die Aufgabe wurde die EE-Einheit Lentos 50 ausgewählt, bestehend aus sieben Mann.
GrInsp. S., einer der Beamten des Greiftrupps, gibt an: „Bei der angeführten Besprechung wies ich darauf hin: ‚Nur für das Protokoll damit darüber gesprochen wird. Wenn wir jetzt reingehen tut es weh.“ Der Adressat des Hinweises Obstlt. M. sagt aus „Dazu führe ich an, dass ich mich auf diesen Hinweis heute konkret nicht mehr erinnern kann.“
Ebenfalls ermittelt wurde wegen des Aktenvermerkes, der zur ersten Anklage führte und von sechs Beamten unterschrieben wurde, obwohl vier vor Gericht zugeben mussten, eigentlich nichts gesehen zu haben. Alle Beamten äußerten sich ähnlich zu diesem Faktum: „D. verfasste diesen Aktenvermerk und damals habe ich ihn unterschrieben, weil ihn alle unterschrieben haben. Den Beweggrund warum wir ihn alle unterschrieben haben, kann ich im Nachhinein nicht mehr sagen.“
Raus zum 1.Mai!
Aus den Erfahrungen des letzten Jahres wird es heuer eine Rechtshilfe-Telefonnummer geben. Diese wird am Samstag gemeinsam mit einigen wichtigen Verhaltenshinweisen bei der Demo verteilt. Ein 'Demo HowTo' findet ihr auch auf unsrer Homepage.
Lasst euch nicht einschüchtern und passt aufeinander auf!
Autonome Rechtshilfe (Linz)
http://rechtshilfe.servus.at
Pressekonferenz Mittwoch 28.4.2010
Einladung zur Pressekonferenz "1.Mai 2010"
am Mittwoch 28. April 2010, 10.00 Uhr Café Solaris, OK-PLatz 1, 4020 Linz
Themen:
- Der 1. Mai 2010 - Lageeinschätzung
- Konsequenzen aus dem vergangenen Jahr
- Präsentation des Aktes der Korruptionsstaatsanwalschaft
Alle Medienvertreter und Interessierte sind herzlich eingeladen.
Rückfragehinweis: Christian Diabl, Vanessa Gaigg 0650/2728398
http://gegenpolizeigewalt.servus.at, gegenpolizeigewalt@servus.at
Presseunterlagen zum kommenden 1.Mai und dem Akt des .BAK (28.04.2010)