UVS Entscheidung zum 1. Mai 09: Einkesselung war rechtswidrig!
[Stellungnahme der Autonomen Rechtshilfe]
Unter dem Vorsitz von Hofrat Dr. Alfred Grof tagte am 19. Mai der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes OÖ. Rechtsanwalt René Haumer hatte im Namen von drei Verhafteten und mittlerweile freigesprochenen Demonstranten Maßnahmenbeschwerde beim Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS) eingereicht. Nach dem Abschluss aller Strafverfahren wurden diese Beschwerden nun verhandelt. In diesen geht es in erster Linie um die Frage ob und wie weit sich die einschreitenden Polizeibeamten bei den Verhaftungen nicht an das Sicherheitspolizeigesetz (in dem Rechte der Betroffenen formuliert sind) gehalten haben. So muss eine Amtshandlung wie das gewalttätige Durchsetzen einer Verhaftung erst angedroht werden nachdem auch alle gelinden Mittel versucht wurden – das scheint nicht ganz so gewesen zu sein. Szenen die dabei im Mittelpunkt standen, sind unter anderem der Angriff einer Polizeieinheit auf eingekesselte Demonstranten, sowie ein durch ORF-Aufnahmen dokumentierter Schlag gegen Rainer Zendron.
Bei der Verhandlung wurde anfänglich wieder einmal die schon von den anderen Verhandlungen bekannten Videosequenzen gezeigt. Danach folgten die Aussagen der drei Beschwerdeführer, die zum Teil sehr detailliert ihre Verhaftung und die dabei an den Tag gelegte Brutalität schilderten. Bei den vier geladenen Polizeibeamten pochte Anwalt Rene Haumer nur auf die Aussage von einem. Jener der Rainer Zendron einen „Drehschlag“ versetzte und bisher dazu noch nicht vor Gericht befragt wurde sollte nun einmal die Möglichkeit bekommen sich zu den Anschuldigungen zu äußern. Bezüglich des Schlages redete er sich auf die Richtlinien aus, bezüglich des abgebrochenen Schlagstockes auf dessen lange Gebrauchsdauer. Ins schwitzen kam er als er vom Anwalt gefragt wurde ob gegen ihn gerade eine gerichtliche Untersuchung in der Sache wegen „schwerer Körperverletzung unter Ausnutzung der Amtsstellung“ läuft. Das musste er mit „Ja“ beantworten, und kurz danach verlor er gänzlich die Fassung: „Ich mach mich doch für euch hier nicht zum Kasperl.“ Das bescherte ihm nach der Verhandlung eine Standpauke seines Vorgesetzten.
Einkesselung war rechtswidrig!
In der Verhandlung stellte der UVS fest, dass die Polizei mit ihrer Einkesselung eines Teils der 1.Mai-Demonstration 2009 rechtswidrig in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit eingegriffen hat. Ein Verdacht auf eine Verwaltungsübertretung reicht nicht aus, um das in der Verfassung garantierte Grundrecht auf Versammlungsfreiheit aufzuheben.
Im Verfahren wurde auch zusätzlich die Brutalität der Polizei bei den Festnahmen gerügt. Für eine diesbezügliche Sachentscheidung konnte sich der UVS aufgrund bestimmter gesetzlicher Normen nicht zuständig erklären, obgleich hinsichtlich dieser Normen der Verwaltungsgerichtshof eine Überprüfung der Verfassungskonformität beim Verfassungsgerichtshof bereits initiiert hat. Kritisiert wird vom UVS, dass es Betroffenen durch die StPO verunmöglicht wird beim UVS eine Maßnahmenbeschwerde einzureichen. Es gilt abzuwarten, ob der Verfassungsgerichtshof die Verfassungswidrigkeit dieser Normen feststellt und diese als rechtsunwirksam aufhebt. Andernfalls unterläge ein rechtswidriges Einschreiten der Polizei kaum noch einer effektiven Nachkontrolle.
In der Begründung führt der UVS aus, „dass das Grundrecht der Versammlungsfreiheit ein für eine funktionierende Demokratie höchst essentielles Recht darstellt. In dieses Recht darf nur dann eingegriffen werden, wenn ein Fehlverhalten der Versammlungsteilnehmer zweifelsfrei vorliegt und dabei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wird. Betreffend die beiden Beschwerdeführer konnte zu keinem Zeitpunkt sicher festgestellt werden, dass sich diese vermummt hatten. Das polizeiliche Vorgehen war somit anfänglich unverhältnismäßig.“
Das Bündnis gegen Polizeigewalt begrüßte die Entscheidung des UVS: „Abseits der strafrechtlichen Konsequenzen ging es uns immer auch um die demokratiepolitischen Aspekte der Ereignisse vom 1. Mai 2009“ hielten die Bündnissprecher_innen fest.
Antrag auf Unzuständigkeit
Wie zu erwarten versuchte die Bundespolizeidirektion durch die Sicherheits- und Kriminalpolizeiliche Abteilung in einer Gegenschrift zu den vom Anwalt der Betroffenen eingebrachten Maßnahmenbeschwerde diese mit dem Verweis abschmettern, die Amtshandlung sei auf Grundlage der Strafprozessordnung (StPO) erfolgt. Eine Amtshandlung kann entweder aufgrund der StPO (Strafprozessordnung) oder des SPG (Sicherheitspolizeigesetz) erfolgen, doch nur wenn das SPG Grundlage war ist eine Beschwerde wegen Fehlern bzw. der Verletzung individueller Freiheitsrechte beim Unabgängigen Verwaltungssenat möglich. Bei der StPO ist ein ungleich aufwändigeres Verfahren bei Gericht anzustrengen. Mit dieser Taktik versucht die Polizei seit die neue StPO in Kraft ist alle Kritik an ihrem Vorgehen abzublocken. Einen ausführlicheren Text zu diesem Sachverhalt finde ihr unter: Identitätsfeststellung: SPG oder StPO?
Dies ist ihnen nun wieder einmal gelungen. Dies war der Grund warum sich der UVS in allen anderen vorgebrachten Beschwerden als unzuständig erklären musste. Hofrat Dr. Alfred Grof sah sich veranlasst sich fast dafür zu entschuldigen und verwies auf die oben angesprochene Überprüfung der Verfassungskonformität beim Verfassungsgerichtshof. Zur Zeit sei dem UVS aber noch die Hände gebunden. Die schriftliche Begründung des Urteils wird es frühestens in einer Woche geben und wird dann in der Downloadabteilung auf der Homepage vom Bündnis veröffentlicht: http://gegenpolizeigewalt.servus.at
Strafanträge gegen Polizisten
Da gibt es immer noch nichts neues. Der zuständige Staatsanwalt hat zwar schon eine Entscheidung getroffen musste diese – aufgrund des großen öffentlichen Interesses – in einem Berichtsakt an die Oberstaatsanwaltschaft weiter leiten. Dieser wird nun die Entscheidung treffen. Daher heißt es weiter: bitte warten...
Autonome Rechtshilfe (Linz)
rechtshilfe.servus.at