Der Akt des .BAK und das lange Warten
Nun wo wir uns schon wieder auf den heurigen 1.Mai am Samstag freuen und sich schon viele daran gewöhnt zu haben scheinen dass die juristische Prozedur mit den Freisprüchen abgeschlossen ist, möchten wir kurz in Erinnerung rufen, dass die auch stark vom Bündnis gegen Polizeigewalt geforderte „lückenlose Aufklärung des Polizeieinsatzes“ immer noch auf sich warten lässt. Musste sich der erste Demonstrant schon nach 1½ Monate nach dem 1.Mai vor Gericht verantworten wird die genauere gerichtliche Betrachtung der Taten der Polizei immer weiter hinaus gezögert. Die Bilanz des Feiertages im letzten Jahr ist erschütternd. 20 Verletzte, fünf Festnahmen, gegenseitige Schuldvorwürfe und die Tatsache, dass erstmals seit 1945 ein Maiaufmarsch nicht durchgeführt werden konnte.
Der Einsatz soll noch auf zwei Ebenen unter die Lupe genommen werden. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat sich aufgrund von Beschwerden Betroffener mit unrechtem Verhalten von Polizeibeamt_innen bei Verhaftungen zu widmen und das Gericht mögliche strafrechtlich relevante Vergehen zu untersuchen.
Die UVS Verhandlung beginnt (hoffentlich bald)
Am 12. April war das erste (organisatorische) Treffen vor dem UVS bezüglich der Beschwerden die von den Freigesprochenen über ihren Anwalt eingebracht wurden. Dabei geht es in erster Linie um die Frage ob und wie weit sich die einschreitenden Polizeibeamten nicht an das Sicherheitspolizeigesetz (in dem Rechte der Betroffenen formuliert sind) gehalten haben. So muss eine Amtshandlung wie das gewalttätige Durchsetzen einer Verhaftung erst angedroht werden nachdem auch alle gelinden Mittel versucht wurden – das scheint nicht ganz so gewesen zu sein. Wie erwarten, dass die Verhandlungen im Mai zügig voranschreiten.
Die Polizei hat erfolglos versucht die Unzuständigkeit des UVS nach formalen Gesichtspunkten zu argumentieren. Mittlerweile hat der UVS sich inhaltlich für zuständig erklärt.
Immer noch keine Entscheidung der Korruptionsstaatsanwaltschaft
Die Korruptionsstaatsanwaltschaft hat sich immer noch nicht entschieden, ob und wieviele Polizisten sich vor Gericht verantworten müssen. Eigentlich ist diese Entscheidung mit Ende März in Aussicht gestellt worden. Der Akt vom 'Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (.BAK)' liegt schon recht lange auf dem Schreibtisch von Staatsanwalt Mag. Philip Christl, der die gerichtlichen Untersuchungen leitet und dem die Entscheidung obliegt gegen wen und in mit welchem Vorwurf ein Strafantrag gestellt wird.
Es ist nun an der Zeit Klartext zu reden und so erwarten wir von der Korruptionsstaatsanwaltschaft sofort eine Aussage was diese gedenkt zu tun. Anwalt René Haumer rechnet damit, dass es noch diese Woche zu einer Entscheidung kommen wird.
Der Akt des .BAK
Allein der Akt des BAK ist 156 Seiten stark und umfasst neben Informationen zu schon bekannten skandalösen Polizeipraxen (Absprache über Aussagen via Mail, unhinterfragt unterzeichnete Amtsvermerke etc.) vor allem Aussagen der Beschuldigten und von Zeug_innen sowie ein Einsatzablauf-Protokoll vom 1.Mai 2009, Dienstbefehle, eine Waffengebrauchserhebung und Lagebeurteilungen. In dem Einsatzablauf-Protokoll ist unter anderem zu lesen:
„11:11 S: Weisung der Behördenvertreter: Abmarsch der vermummten Gruppe ist zu unterbinden, ID Feststellung durchführen“
„12:48 S: Magazin einer Dienstwaffe wurde verloren...“
„13:01 Das Gegenüber ist bewaffnet. SB: Frosch und Rettung wurden verständigt.“
„13:16 S: Neuerlicher Gewaltausbruch, mehrere Festnahmen. Lentos 1 ordnet Helm auf an.“
In der Auflistung vom Gebrauch vom Körperkraft, Pfefferspray und Einsatzstock werden insgesamt 37 Waffengebräuche aufgelistet. Unter dem Punkt 'Unbeteiligte' ist lapidar zu lesen: „Kaum, jedoch nicht sicher.“
Auch die stark abweichenden Zahlen machen stutzig, so ist in einem Bericht zu lesen „Insgesamt waren ca. 400 Versammlungsteilnehmer eingetroffen.“ wobei anderswo alleine von „ca. 300 – 400 Personen aus der linkstendenziösen und Antifa-Szene“ die Rede ist (beide Berichte wurden noch am 1.Mai verfasst).
In den Abschluss-Berichten des BAK werden gegen sechs Polizeibeamte der Verdacht auf Missbrauch der Amtsgewalt; Strafbare Handlungen unter Ausnützung einer Amtsstellung und Körperverletzung erhoben. Dass zumindest jener Polizist, der vor laufender ORF-Kamera einen Schlag gegen den schon zu Boden gehenden Rainer Zendron augesführt hatte, mit einer Anklage rechnen muss scheint wahrscheinlich. Weitere Polizisten, die in der Sachverhaltsdarstellung der Verteidigung thematisiert wurden (es geht um die mittlerweile berühmte Prügelaktion, die vielfach dokumentiert wurde), versuchen ihr Verhalten damit zu verteidigen, sie hätten rechtskonform nach den Einsatzrichtlinien gehandelt. So gibt ein Beschuldigter zu Protokoll, dass „wir so maßhaltend wie möglich aber auch effizient wie nötig und entsprechend den Einsatzrichtlinien vorgegangen sind. […] Zur Anzahl der Schläge führe ich an, dass ich die ersten Schläge trotz vollem Bewegungsumfang (weil so trainiert und geschult wird) äußerst maßhaltend durchgeführt habe, um bei gleichzeitiger psychologischer Wirkung eine wenigst mögliche Beeinträchtigung des Gegenübers hervorzurufen.“ Wir kennen diese Geschichte schon von den Aussagen der Polizisten vor Gericht – können sie aber immer noch nicht glauben. Dieser Beamte spricht auch anfänglich von „ein paar Schläge“ und ändert seine Aussage nach der neuerlichen Betrachtung des ORF-Videos auf „mehrmals zugeschlagen“. Wir haben 15 gezählt.
Auch der Schläger von Rainer Zendron verweist auf seine Ausbildung: „[...] drehte ich mich kurz zur Seite und machte dass, was in der Einsatzeinheit gelernt hatte: ich wollte bei ZENDRON einen kurzen Schmerzreiz setzen, damit die Kollegen die Festnahme durchführen konnten, indem ich einen Rotationsschlag mit dem Einsatzstock machte und auf den Oberschenkel des ZENDRON zielte.“ (getroffen hat er den Rücken) […] „Es war ein dosierter Schlag um den Widerstand des ZENDRON zu brechen.“ „Mein Schlag war nicht wahllos oder grundlos geführt, sondern um endlich den Abtransport des ZENDRON zu ermöglichen und dadurch die aufgebrachte Menge wieder besser in den Griff zu bekommen.“
Die Paranoia nimmt Gestalt an
Das Aktenmaterial gibt auch Hinweise darauf, wie es zu der massiven Behinderung der 1.Mai Demo kommen konnte. Alles scheint mit einem mit dem Vermerk „VERTRAULICH“ gekennzeichneten Bericht vom 20. April 2009 des Analysten vom Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung seinen Anfang zu nehmen. In diesem werden mögliche Gefährdungspotentiale am 1.Mai bewertet und begründet. Zur alternativen 1. Mai Demo ist darin zu lesen: „An der Kundgebung des Aktionskomitees, sprich der KPÖ OÖ nehmen, wie dies auch in den letzten Jahren der Fall war, auch Angehörige jener am äußersten Rande der politischen Linken angesiedelten Organisationen, nämlich der Anarcho-Szene, aber auch „Freie Radikale“ teil, welche sich unter anderem mittlerweile auch tatkräftig im „Kampf gegen Rechts“ engagieren.“ Wenn das kein Grund für eine Infragestellung des Demonstrationsrechtes und für die Verhinderung der 1.Mai Demo ist!
Doch auch die von uns durchaus nicht in Frage gestellten Gefahren werden benannt: „Dennoch sind Provokationsversuche Angehöriger rechtstendenziöser Gruppen nicht gänzlich auszuschließen“[...] „Zumal immer wieder bestimmte Überschneidungen zwischen den Sympathiesanten der Strache-FPÖ und Angehöriger rechtstendenziöser Gruppierungen feststellbar sind,[...]“ Na, wenn das mal nicht eine klare Aussage ist.
In einer „Lagebeurteilung 1.Mai Aufmärsche – Ergänzung“ vom 30. April 2009 ist dann schon eine Verschärfung der Gangart vorgezeichnet: „Es wäre darauf zu achten, dass beim Sammeln bzw. beim Wegmarsch unbedingt das Vermummungsverbot eingehalten wird und etwaige Vermummungsverbote (sic!) bereits vor dem Abmarsch zu verhindern sind“ Daraus scheint sich die oben schon angeführte „Weisung der Behördenvertreter: Abmarsch der vermummten Gruppe ist zu unterbinden, ID Feststellung durchführen“ zu resultieren.
Da sich viele Personen im Kessel weigerten ihre Identität und diesen Umständen preiszugeben und die Demonstration zu verlassen entschied man sich in der Einsatzleitung dafür, die Demonstranten gewaltsam aus dem Kessel zu entfernen. Vor Ort verantwortlich waren Behördenvertreter Hofrat Mag. F, Einsatzleiter Obstlt. M. und EE-Kommandant P. Letzterer dazu: „Hofrat Mag. F. Obstlt. M. und ich wägten alle „Für und Wieder“ ab und entschlossen uns dann die Situation auf der Blumau zu beenden.“ Und weiter: „Als ich S. den Auftrag gab, war mir bewusst, dass ein Herausholen der Rädelsführer wahrscheinlich nicht ohne Anwendung von Körperkraft gehen wird.“ Für die Aufgabe wurde die EE-Einheit Lentos 50 ausgewählt, bestehend aus sieben Mann.
GrInsp. S., einer der Beamten des Greiftrupps, gibt an: „Bei der angeführten Besprechung wies ich darauf hin: ‚Nur für das Protokoll damit darüber gesprochen wird. Wenn wir jetzt reingehen tut es weh.“ Der Adressat des Hinweises Obstlt. M. sagt aus „Dazu führe ich an, dass ich mich auf diesen Hinweis heute konkret nicht mehr erinnern kann.“
Ebenfalls ermittelt wurde wegen des Aktenvermerkes, der zur ersten Anklage führte und von sechs Beamten unterschrieben wurde, obwohl vier vor Gericht zugeben mussten, eigentlich nichts gesehen zu haben. Alle Beamten äußerten sich ähnlich zu diesem Faktum: „D. verfasste diesen Aktenvermerk und damals habe ich ihn unterschrieben, weil ihn alle unterschrieben haben. Den Beweggrund warum wir ihn alle unterschrieben haben, kann ich im Nachhinein nicht mehr sagen.“
Raus zum 1.Mai!
Aus den Erfahrungen des letzten Jahres wird es heuer eine Rechtshilfe-Telefonnummer geben. Diese wird am Samstag gemeinsam mit einigen wichtigen Verhaltenshinweisen bei der Demo verteilt. Ein 'Demo HowTo' findet ihr auch auf unsrer Homepage.
Lasst euch nicht einschüchtern und passt aufeinander auf!
Autonome Rechtshilfe (Linz)
http://rechtshilfe.servus.at