"Auf der Donaulände werden keine Orgien gefeiert"
STREITGESPRÄCH ZUR LINZ-WAHL
Grüne Schobesberger und blauer Wimmer über das "Bedrohungsbild" von Jugendlichen in Linz, "grausliche" Wahl-Slogans und warum man die Polizei nicht durch Privatsherrifs ersetzen kann
"Da unterscheiden wir uns massiv in unserem Weltbild", sagt Eva Schobesberger zu Detlef Wimmer. Der entgegnet: "Die Menschen haben andere Probleme als weltanschauliche Grabenkämpfe."
Ein derStandard.at-Streitgespräch der Spitzenkandidaten von Grünen und FPÖ bei der Linzer Gemeinderatswahl über polarisierende Wahlplakate, "Sauforgien" von Jugendlichen und die Polizei als "Hüterin von Recht und Ordnung". Es moderierte Rosa Winkler-Hermaden.
derStandard.at: Warum gelten Jugendliche als politikverdrossen und uninteressiert?
Schobesberger: Im Straßenwahlkampf erlebe ich sehr viele junge Menschen, die sehr interessiert sind. Ich glaube nicht, dass bei den Jugendlichen eine besondere Politikverdrossenheit da ist. Natürlich gibt es Menschen, die sich nicht für ihr Umfeld interessieren, aber es sind sicher nicht bedeutend mehr als früher. Gerade bei den Jugendlichen erlebe ich eher das Gegenteil.
Wimmer: Ich kann dem beipflichten. Wir spüren, dass vor allem die ganz jungen, die 16- bis 20-Jährigen ein großes Interesse an Politik haben. Zum Teil wissen sie mehr als die älteren. Die Art und Weise, wie sie sich Informationen verschaffen, ist eine andere. Sie lesen nicht in dem Ausmaß Zeitungen, wie das vielleicht früher der Fall war, sondern es gewinnt das Internet mehr an Bedeutung.
derStandard.at: Analysen ergeben oft, dass Jugendliche vermehrt die FPÖ wählen. Warum zieht es die Jungen zu den Blauen?
Schobesberger: Ich glaube das nicht. Die FPÖ stellt die Dinge verkürzt da. Teilweise werden Dinge dadurch auch unrichtig. Wenn man Themen seriös angehen will, dann geht das nicht in zwei Wörtern.
Wimmer: Unsere Zielsetzung ist es, teilweise schwierige Themen möglichst einfach auf den Punkt zu bringen. Man kann leider auf einem Plakat nicht das ganze Wahlprogramm plakatieren. Je länger man formuliert, desto mehr geht an Inhalt verloren, weil er einfach nicht mehr wahrgenommen wird.
derStandard.at: Warum werden die Plakate der FPÖ so oft kritisiert?
Wimmer: Die FPÖ polarisiert natürlich, spricht Themen an, die von anderen Parteien nicht thematisiert werden. Wir warnen vor der Überfremdung und machen uns nicht nur Freunde damit. Aber uns geht es nicht darum, den politischen Mitbewerber zu überzeugen. Wir wollen die Menschen da draußen überzeugen.
Schobesberger: Wir setzen bei unseren Plakaten nicht auf Angstmache und Auseinanderdividieren. Herr Wimmer, wie Sie mit Begrifflichkeiten wie Überfremdung herumwerfen, das sind Dinge, die finde ich grauslich. Das ist Nazi-Vokabular. Da sieht man ganz klar ein Menschenbild. Sie als Jurist müssten bei Slogans wie "Zuwanderungswellen statt Arbeitswellen" wissen, dass das ganz sicher kein kommunalpolitisches Thema ist. Wir machen in Linz keine Asylgesetze oder bestimmendes Fremdenrecht. In Linz leben Menschen aus über 140 Nationen miteinander und das ist gut so. Das funktioniert in weiten Teilen auch friedlich. Sie erzählen von Problemen, die gar nicht existieren.
Wimmer: Uns liegt eine ganz aktuelle Untersuchung vor. Demnach wird 2041, wenn alle Parameter gleich bleiben, der Zeitpunkt gekommen sein, wo die einheimischen Linzer in der Stadt in der Minderheit sind. Es werden von uns keine Ängste geschürt - das ist ein Faktum. Das lässt sich mathematisch berechnen. Es kann natürlich sein, dass sich manche Dinge anders entwickeln als angenommen, darauf arbeiten wir auch hin.
Schobesberger: Sie kommen immer mit Zahlen und Studien. Mir ist nicht klar, was das heißen soll. Wen zählen Sie dazu? Bin ich keine Linzerin, weil meine Urgroßmutter nicht hier geboren ist? Wann ist man denn ein Linzer und wann nicht mehr?
Wimmer: Das ist eine berechtigte Frage. Zuwanderung hat es immer gegeben, da haben Sie Recht. Da können wir bis in die Steinzeit zurückgehen. Aber man muss unterscheiden. Ist es ein kleines Maß an Zuwanderung, wie es das immer gegeben hat? Kommen die Zuwanderer aus den Nachbarländern? Oder ist die Zuwanderung unkontrolliert und kommen die Leute aus anderen Kontinenten? Und es gibt Zuwanderer, die sich nicht an unsere Regeln halten, die haben bei uns keinen Platz. Das ist bei uns eindeutig.
derStandard.at: Kommen wir zurück zur Jugendpolitik: Muss man als Stadtpartei anders agieren als am Land?
Wimmer: Am Land hat man ein aktiveres Vereinsleben, in der Stadt ist die Anonymität viel größer. Es ist sicher schwierig, dass man die Jugendlichen für etwas begeistern kann. Jugendengagement steht und fällt mit einem aktiven Vereinsleben.
Schobesberger: In der Stadt ist es besonders wichtig, dass man Jugendlichen den entsprechenden Raum zur Verfügung stellt. Es gibt immer wieder Konfliktpotential, wenn der nicht vorhanden ist. Wir haben in den letzten Jahren hier auch einige Initiativen gestartet. Auf der Donaulände gibt es jetzt den Jugendpoint, einen öffentlichen Platz, an dem sich Jugendliche treffen können.
Wimmer: Es ist wichtig, dass auf öffentlichen Plätzen, in Straßen, Parks Freiraum für alle Menschen da ist. Die Freiheit des einen endet natürlich dort, wo die Freiheit des anderen beginnt. Man muss darauf achten, dass in Problemzonen die Verschmutzung nicht überhandnimmt, wie es zum Beispiel in der Altstadt immer wieder vorkommt. Anrainer beschweren sich, dass in der Früh oft noch Scherben vom Vortag herumliegen.
Schobesberger: Dafür ist unter anderem unser Stadtrat zuständig. Es hat eine Änderung im Reinigungszyklus gegeben und seither gibt es keine Beschwerden mehr.
Wimmer: Wir haben Kontakt zu Anrainern, die sich gestört fühlen. Man muss hier schon aufpassen, auch auf der Donaulände. Denn es gibt immer wieder leider auch Menschen, die über die Stränge schlagen, wo Orgien gefeiert werden und der Müll nicht weggeräumt wird. Und ein gewisses Bedrohungsbild da ist. Was heute bei einer wilden Sauforgie beginnt, geht dann in Sachbeschädigung, in Raufereien, Rangeleien und Körperverletzungen über. Da sind die Übergänge oft fließen.
Schobesberger: Auf der Donaulände werden keine Orgien gefeiert. Die Jugendlichen verbringen dort ihre Freizeit und am Abend trinken sie halt ab und zu ein Bier. Ich will keine sterilen Plätze, für mich ist das in Ordnung, wenn die Menschen in einem Park liegen und ihre Freizeit dort verbringen - sei es alleine lesend oder in der Gruppe auch Bier trinkend.
Wimmer: Wenn das alle so machen, ist es perfekt.
derStandard.at: Wie wollen Sie dafür sorgen?
Wimmer: Wir wollen zur Unterstützung der Polizei eine Stadtwache einrichten, die im Bereich der kommunalen Sicherheit, der Ordnung, der Prävention von Verbrechen tätig ist. Dadurch soll in Linz die Lebensqualität verbessert werden.
derStandard.at: Wieviele Personen sollen das sein?
Wimmer: Es müssten um die 100 Personen eingeplant werden, die im Schichtbetrieb in Linz unterwegs sind. Die Mitarbeiter der Stadtwache gehören auf die Straße, weil man nur dort auch was verbessern und was verändern kann. Die Stadtwache ist aber nicht als Ersatz für die Polizei gedacht. Nur in Kombination kann das funktionieren. Aufgabe der Stadtwache wäre es vor allem im Bagatellbereich, wo es nicht einen ausgebildeten Mordkommissar braucht, tätig zu sein und die Polizei zu unterstützen. Die angesprochenen illegalen Müllablagerungen, Rangeleien oder Sachbeschädigungen könnten verhindert werden. Da braucht es nicht ein paar Streifenwägen der Polizei, um da einzuschreiten.
Schobesberger: Wir sind gegen eine Parallelpolizei, zu der sich Interessierte freiwillig melden können. Ich glaube auch nicht, dass das zu einem Sicherheitsgefühl beiträgt, wenn Leute herumrennen, die in Wahrheit keine Kompetenzen haben. Das verunsichert zusätzlich. Unser Standpunkt ist klar: Man muss die Polizei mit den notwendigen Kompetenzen mit Ressourcen ausstatten und nicht zusätzliche Privatsheriffs durch die Stadt schicken, die eh nichts zu sagen haben. Es wäre gescheiter, ausgebildete MediatorInnen anzustellen.
derStandard.at: Die Grünen wollen im Wahlkampf gegen Rechtsextremismus auftreten. Wieso?
Schobesberger: Rechtsextremismus muss man verhindern. Das geht in eine ganz gefährliche Richtung, wo Menschen gegeneinander aufgehetzt werden. Menschenverachtende Strömungen unterstützt werden und sicher nicht beitragen, dass man vernünftig miteinander reden kann.
Wimmer: Das setzt die Frage voraus, was überhaupt darunter verstanden wird. Ich sehe auf den Plakaten den Spruch: "Kampf gegen rechts". Und nicht gegen Rechtsextremismus.
Schobesberger: Der Spruch heißt "Eine starke Stimme gegen rechts". Und es ist wichtig dagegen aufzutreten.
Wimmer: Der "Kampf gegen links" oder der "Kampf gegen rechts" ist eine Themenverfehlung. Wir sind in einer der größten Wirtschaftskrisen. Die Menschen haben andere Probleme als weltanschauliche Grabenkämpfe. Es wäre sehr viel wichtiger, in Linz andere Themen aufzugreifen. Wir haben auch nicht immer Freude mit linken Ideen und Vorschlägen in der Politik. Aber wir würden nie so weit gehen, dass wir uns als einem der zentralen Themen dem Kampf gegen links widmen.
Schobesberger: Vielleicht darf ich selber einmal erklären was wir wollen? Für mich ist es das abscheulichste überhaupt, wenn man den Menschen vorgaukelt, man kann die Krise abwehren, wenn man einzelne Bevölkerungsgruppen ausschließt. Genau um das geht es mir, diese Strömung muss man verhindern. Dass Sie eine Abgrenzungsschwierigkeit haben, das ist mir schon klar. Ich hab Aussagen von Ihnen im Kopf, wo Sie den Bund freier Jugend als normale Jugendorganisation bezeichnen.
Wimmer: Es hat in Wels einen Prozess gegeben. Mitarbeiter des BfJ waren angezeigt worden, aber alle Angeklagten wurden freigesprochen. Das sind lauter unbescholtene Staatsbürger, die gerichtlich freigesprochen wurden. Ich sehe kein Problem, man kann ihnen keinen Vorwurf machen. Ich will da nicht den OGH befragen. Ich finde es sehr gut, dass es eine parteiunabhängige Justiz gibt, die nach dem Rechtsstaat vorgeht. Ich verurteile niemanden, nur weil das von linker politischer Seite verlangt wird.
Schobesberger: Das ist einer der ganz wenigen Punkte, wo wir uns einig sind: die Unabhängige Gerichtsbarkeit steht außer Frage. Aber darum geht es ja eigentlich nicht. Der Bund freier Jugend ist mehrfach als rechtsextreme Vereinigung kategorisiert worden. Oder sehen Sie das anders?
Wimmer: Der Begriff des Rechtsextremismus wird immer wieder schlampig mit einer Art Gießkannenmethode verwendet, was weiter rechts ist als die ÖVP. Das ist eine sehr bedenkliche Entwicklung.
derStandard.at: Was verstehen Sie unter Extremismus?
Wimmer: Extremismus, so wie ich es verstehe, ist mit der Demokratie nicht mehr vereinbar. Dasselbe gilt für Linksextremismus. Es ist völlig absurd, eine politische Partei auch nur irgendwie als extremistisch zu bezeichnen, die sich an die Spielregeln der Demokratie hält.
Schobesberger: Herr Wimmer, jetzt haben Sie was verwechselt: Wir reden vom Bund freier Jugend und nicht von der FPÖ ...
Wimmer: Wir waren allgemein bei der Frage, was Extremismus bedeutet.
derStandard.at: Am ersten Mai ist die Polizei in Linz bei einer Demonstration eingeschritten, es wurden mehrere Personen festgenommen. Hat die Polizei richtig agiert?
Wimmer: Ich war selbst bei dieser Demonstration nicht dabei. Mir ist bekannt, dass die Situation damals eskaliert ist, dass es Ausschreitungen gegeben hat. Die Sache ist derzeit in Klärung. Ich will da nicht vorverurteilen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass die Polizei, wie es teilweise behauptet wird, aus Jux und Tollerei eingegriffen hat.
Schobesberger: Wir haben eine ganz klare Position. Es hat diese Bilder gegeben vom ORF, wo man Polizisten sieht, die wild auf Menschen einprügeln, die am Boden gelegen sind. Das ist aufklärungsbedürftig. Ich bin auch davon ausgegangen, dass das im ureigensten Interesse der Polizei ist. Nur weil sie eine Uniform tragen, heißt das nicht, dass die Polizei immer Recht hat. Auch Polizisten sind nur Menschen, die ab und zu einen Fehler machen. Das hat nichts damit zu tun, dass wir von vornherein sagen, die Polizei ist schuld. Wir sagen aber auch nicht, die Polizei ist keinesfalls Schuld.
Wimmer: Es gibt nur leider im Bereich linker Jugendorganisationen, der Sozialistischen Jugend zum Beispiel, und auch der Grünen Jugend, ein Bündnis gegen Polizeigewalt und das ist eine Vorverurteilung.
Schobesberger: Das Bündnis fordert Aufklärung gegen mutmaßliche Gewalt.
Wimmer: Das ist eine Vorverurteilung.
Schobesberger: Das Bündnis will Demonstrationsfreiheit und tritt gegen willkürliche Gewaltanwendung auf. Das ist eine Grundsatzhaltung. Da sehe ich nichts Verwerfliches daran. Sie sagen, im Zweifelsfall muss man die Polizei in Schutz nehmen, weil sie Hüterin von Recht und Ordnung.
Wimmer: Die Polizei muss de facto ein Vorschussvertrauen haben weil sie für den Staat, für die Gemeinschaft tätig ist. Wenn wir soweit gehen und die Polizei wegen jeder Amtsanwendung sofort vorverurteilen, wohin würde das führen? Dass die Polizei irgendwann untätig bleibt, weil sie sich vor der Konsequenz untätig zu bleiben weniger fürchtet.
derStandard.at: Gibt es trotz er vielen verschiedenen Ansichten eigentlich auch etwas, das Sie am jeweils anderen schätzen?
Wimmer: Ich finde es grundsätzlich sehr gut, wenn jemand politisch interessiert ist. Gerade die Grünen sind eine Partei, die weltanschaulich sehr geprägt ist, wo man sicher nicht aus Opportunismus dazu geht. Und das ist etwas, auch wenn es mir überhaupt nicht entspricht, das ich bewundernswert finde.
Schobesberger: Ich tu' mir da wirklich schwer. Für mich ist die Tendenz, die rechte Ecke, in die Sie mit Ihrer Fraktion gehen, bedrohlich.
Wimmer: Dann darf ich vielleicht noch ergänzen: Trotz des vorher erwähnten positiven Aspektes erkenne ich leider wenig Bereitschaft zum sachlichen Diskurs. (derStandard.at, 10.9.2009)
Zu den Personen:
Eva Schobesberger (33) ist Spitzenkandidatin der Grünen bei der Linzer Gemeinderatswahl am 27. Oktober. Sie studierte Jus und ist politische Referentin von Stadtrat Jürgen Himmelbauer.
Detlef Wimmer (25) ist FPÖ-Spitzenkandidat in Linz und studierte ebenfalls Jus. Er ist Rechtspraktikant am Landesgericht Linz.