Polizei-Affäre - Prügel, Lügen und ein Video: Linzer Polizisten verprügeln Familienvater
Linzer Polizisten prügeln einen Familienvater und zeigen ihn mit erlogenen Vorwürfen an. Ein Video entlarvt das. Der Landeshauptmann steht zu ihnen.
Von Josef Barth
Der Medienkonsument kennt das Muster: Nur allzu gern umschiffen Politiker die Antwort auf unangenehme Fragen zu unangenehmen Fällen mit einem Verweis auf „ein laufendes Verfahren“. Was oft Winkelzug mutloser PR-Strategie ist, erweist sich in manchen Fällen als sinnvoll. Woher sollte ein Politiker beispielsweise auch wissen, was in den Sekunden eines Polizeieinsatzes am Linzer Mai-Aufmarsch tatsächlich passierte – als Polizisten rund 50 Jugendliche stundenlang eingekesselt und am Losgehen gehindert hatten.
Dennoch: ÖVP-Landeshauptmann Josef Pühringer weiß in diesem Fall genau, wo sein Platz ist. „Ich stehe voll und ganz hinter der Exekutive“, zitiert das „Neue Volksblatt“ Pühringer kurz danach. Selbstverständlich werde der Vorfall genau analysiert, verspricht er – um das Ergebnis aber vorwegzunehmen: Er sei überzeugt, dass die Beamten korrekt gehandelt hätten. „Die Politik hat in dieser Frage voll und ganz hinter ihren Exekutivbeamten zu stehen; sie müssen sich auf uns verlassen können.“
Wie eigentlich auch die Bürger auf die Polizei.
Die Fakten: Am Abend des 1. Mai berichtet der ORF von angeblich „vermummten Demonstranten“ (ohne ein einziges Bild von solchen zu haben). Sequenzen zeigen dafür einen Polizisten, der innerhalb von acht Sekunden zwölfmal mit dem Schlagstock auf einen Mai-Marschierer einprügelt (ohne dass aktiver Widerstand erkennbar wäre). Just ein Polizeivideo deckt nun auf, wie polizeiliche Propaganda Unschuldige vor Gericht brachte.
Der prügelnde Beamte und seine fünf Kollegen hatten den Geprügelten, Hansi E., durch einen Aktenvermerk mit unwahren Vorwürfen auf die Anklagebank gebracht. Der Vorwurf: Widerstand gegen die Staatsgewalt. Die Beamten schildern eine langwierige Amtshandlung: E. sei aufgefordert worden mitzukommen. Mehrmals. Trotz mehrmaliger Aufforderung habe er sich geweigert. Erst dann hätte man ihn an den Händen gefasst. Daraufhin hätte er um sich geschlagen und getreten. Dann hätten auch andere die Beamten gehindert, Hansi E. mitzunehmen. Mit Faustschlägen und Tritten. Erst dann sei der „Einsatzstock“ (ES) eingesetzt worden. In Notwehr – um die Angriffe abzuwehren.
Auf dem Polizeivideo dauert die gesamte geschilderte Amtshandlung bis zum ersten Hieb exakt eine (!) ganze Sekunde: Die Kundgebungsteilnehmer wippen Arm in Arm zum Takt der Musik, die Polizisten sprechen sich kurz ab, stürmen offensiv in die ruhige Menge – und prügeln. Acht Sekunden lang, insgesamt zwölfmal. Punkt.
Doch damit nicht genug. Kurz nach dem Vorfall versuchte Oberösterreichs Sicherheitsdirektor Alois Lißl in der „Rundschau am Sonntag“ sogar Amateurvideos kleinzureden und den Verprügelten als Gewalttäter anzuschwärzen: „Was man im Video nicht sieht, ist, dass die Person massiv mit einem Schlagstock auf den Polizisten einschlägt.“
Einen derartigen Vorwurf getrauten sich nicht einmal die Beamten im Aktenvermerk zu erfinden. Auch der wurde mit dem von Verteidiger René Haumer vorgelegten Polizeivideo im Prozess widerlegt. Der Richter formuliert es schließlich in aller Schärfe: „Das war Knüppel aus dem Sack. Ich schließe aus, dass die Polizisten dem Angeklagten in der Kürze gesagt haben, dass er mitkommen soll.“ E. wird rechtskräftig freigesprochen. Die Beamten, die ihn verleumdeten, werden vom Staatsanwalt nicht verfolgt.
Auch der Einsatzleiter dürfte nichts zu befürchten haben: Er zettelte ein Verfahren gegen ein 18-jähriges Mädchen an. Angeblich hätte sie (1,66 Meter groß) ihm (etwa 1,90 und mutmaßliche 90 Kilo schwer) den Arm umgedreht und dabei den kleinen Finger gezerrt. Er zeigte sie wegen schwerer Körperverletzung an. Auch hier belegt ein Video anderes: Sie streift ihn, er packt sie und schleift sie im Schwitzkasten weg. Das Verfahren läuft noch.
Warum er sich trotz ungeklärter Sachlage in der Auseinandersetzung zwischen Bürger und Beamten sofort auf die Seite der Beamten stellte, wollte Landeschef Josef Pühringer gegenüber profil nicht beantworten. Trotz dreier telefonischer und einer schriftlichen Anfrage von profil innerhalb von acht Tagen rief sein Büro nicht einmal zurück, um „Kein Kommentar“ auszurichten. Der Verweis auf „ein laufendes Verfahren“ wäre diesmal auch reine Ironie gewesen.