Freispruch für Demonstranten bei 1. Mai-Demonstration in Linz
Kein eindeutiger Beweis für versuchten Widerstand gegen die Staatsgewalt - Noch nicht rechtskräftig
Linz - Der erste Strafprozess nach dem Ausbruch von Gewalt zwischen Kundgebungsteilnehmern und der Polizei bei einer 1.-Mai-Demonstration in Linz hat Freitagnachmittag im Landesgericht mit einem Freispruch für einen Demonstranten geendet. Das Gericht fand keinen eindeutigen Beweis für den Vorwurf des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
An der rechtmäßig angemeldeten Demo vom "Aktionskomitee 1. Mai" auf der Blumau nahmen 500 bis 700 Personen teil. Rund 100 Polizisten waren im Einsatz. Mit der Begründung, es hätten sich 50 Vermummte eingeschlichen, hat die Polizei diese umstellt und am Weitergehen gehindert. So sollten strafbare Handlungen vermieden werden, argumentierte sie. Bei der Feststellung der Identität von Kundgebungsteilnehmern eskalierte die Situation. Es gab auf beiden Seiten Verletzte. Fünf Personen wurden festgenommen, darunter der Vizerektor der Linzer Kunstuniversität, Rainer Zendron.
Einem der fünf, einem 29-Jährigen, hat die Anklage im Prozess am Freitag vorgeworfen, er habe sich gegen die Feststellung seiner Identität gewehrt, indem er versucht habe, Polizisten zu schlagen. In deren Bericht heißt es, er habe aktive Handlungen gesetzt, andere Demonstrationsteilnehmer hätten ebenfalls auf sie eingeschlagen, deshalb hätten sie in Notwehr Schlagstöcke eingesetzt.
Verteidiger legte Videos vor
Der Angeklagte stellte das in der Verhandlung anders dar. Er habe nicht herumgetreten und herumgeschlagen. Er habe nur passiven Widerstand geleistet. Sein Verteidiger erklärte, die Staatsanwaltschaft sei von der Polizei "unterversorgt" und legte unter anderem Videos vor, die ihm erst am vergangenen Mittwoch zugegangen seien. Das Gericht sorgte sofort für eine Projektion im Verhandlungssaal. Auf ihnen waren keine aktiven Widerstandshandlungen des Angeklagten zu sehen.
Die Anklage gegen den 29-Jährigen beruhte im wesentlichen auf einem Aktenvermerk von sechs Polizisten. Ihre Befragung durch das Gericht ergab: Zwei Stunden lang seien die Demonstranten aufgefordert worden, jeweils ihre Identität feststellen zu lassen. Die Mehrheit habe dem Folge geleistet, etwa ein Drittel nicht. Deshalb sei von der Einsatzleitung den Befehl bekommen, die Feststellung der Identität durchzusetzen. Der Angeklagte habe als Rädelsführer gegolten. Einer der Beamten sei bei dem Einsatz von ihm geschlagen worden. Die Kollegen gaben an, sie hätten den Aktenvermerk ebenfalls unterschrieben, obwohl sie von den angeklagten Handlungen nichts gesehen hätten. Der Einzelrichter sah keinen eindeutigen Schuldbeweis, argumentierte "im Zweifel für den Angeklagten" und sprach ihn unter dem Applaus seiner zahlreich anwesenden Bekannten frei. Der Staatsanwalt gab keine Erklärung ab, das Urteil ist somit noch nicht rechtskräftig.
Die Vorfälle am 1. Mai auf der Blumau in Linz werden nicht nur von den Strafbehörden untersucht, sondern auch vom Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS) Oberösterreich und dem Büro für Interne Angelegenheiten (BIA) im Innenministerium. Ein Termin für weitere Verhandlungen in diesem Zusammenhang steht noch nicht fest. (APA)