Freispruch für Demonstrant im 1.Mai-Demo-Prozess
Der Verteidiger des 29-Jährigen legte dem Gericht ein bis dato den Prozessbeteiligten unbekanntes Polizeivideo vor, das die Geschehnisse genau dokumentierte.
Linz - Mit einem Freispruch endete am Freitagnachmittag der erste Prozess gegen einen der Demonstranten, denen Widerstand gegen die Staatsgewalt vorgeworfen wird. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der Staatsanwalt hatte dem 29-jährigen H. E. aktiven Widerstand gegen Polizisten vorgeworfen. Er soll nach den Beamten getreten und geschlagen haben, nachdem sie laut Akt ihn mehrfach aufgefordert hatten, mitzukommen. Sie wollten seine Personalien zur Identitätsfeststellung aufnehmen.
Knalleffekt der Verteidigung: Polizeivideo
"Mein Mandant ist unschuldig. Die Amtshandlungen im Aktenvermerk sind schlichtweg falsch und grenzen an den Tatbestand der Verleumdung", erklärte der Verteidiger Haumer. Und sorgte dann für den Knalleffekt des Prozesses: "Dankenswerter Weise haben wir ein Polizeivideo in DVD-Qualität in voller Länge."
Der Film, der vorher weder dem Gericht noch dem Staatsanwalt vorgelegen hatte, zeigte zum einen, dass entgegen früherer Behauptungen die Demonstranten nicht vermummt waren. Außerdem belegte das Video, dass der Beschuldigte weder aufgefordert worden war, sich auszuweisen noch aktiven Widerstand geleistet hatte.
Vielmehr stand H. E. friedlich mit anderen Demonstranten eingehängt den heranstürmenden Beamten gegenüber. Im Bruchteil von Sekunden schlugen die Polizisten auf die Gruppe ein.
"Noch nie jemanden geschlagen"
Während das Video mehrere Male im Gerichtssaal vorgeführt wurde, herrschte im vollbesetzten Zuschauerraum Betroffenheit angesichts des unverhältnismäßigen Vorgehens der Exekutive.
Bei der anschließenden Befragung durch den Richter schilderte der 29-Jährige die Geschehnisse aus seiner Sicht. "Schneller als ich schauen konnte, stürmten sie auf uns zu und wollten gezielt mich aus der Gruppe lösen. Mit ihrem Schlagstock haben sie auf meinen Oberarm eingeschlagen. Ich habe weder getreten noch geschlagen. Ich habe nur versucht mich schwerzumachen. Falls Sie das interessiert: Ich habe überhaupt noch nie jemanden geschlagen", erklärte der zweifache Familienvater.
Widersprüche in der Polizeiakte
Einen "Kuddelmuddel" und etliche Ungenauigkeiten ortete der Richter im Aktenvermerk der Polizei. So traten während der Befragung einzelner Beamter im Zeugenstand Widersprüche zwischen den mündlichen Aussagen, den schriftlichen Aufzeichnungen und dem Beweismaterial auf.
Auf Nachfrage, warum sie denn den Polizeiakt unterschrieben haben, "wo sie keine aktive Wahrnehmung haben" so der Richter, antwortete einer: "Ich habe ihn nur überflogen und unterschrieben, weil mein Name drinnen stand." Ein weiterer Zeuge gab zu, den Vermerk "nicht genau studiert" zu haben.
"Im Zweifel für den Angeklagten"
Der Staatsanwalt sah trotz der vorgelegten neuen Beweise keinen Grund, den Polizeibeamten nicht zu glauben. Auf dem Video sei so ein Durcheinander, dass nicht sicher ausgeschlossen werden könnte, dass der Angeklagte nicht doch aktiven Widerstand geleistet hatte.
Der Verteidiger sagte in seinem Schlussplädoyer, sein Mandant sei "Opfer dieser polizeilichen Amtshandlung" und verwies auf das Videomaterial. Er forderte Freispruch für H. E.
Dem folgte der Richter in seinem Urteil. In seiner Begründung wies er darauf hin, dass passiver Widerstand durchaus zulässig sei. Ob es Tritte gegen ie Beamten gab, könne nicht festgestellt werden. Dafür war die gesamte Aktion zu schnell vorrüber. "Im Zweifel für den Angeklagten" sprach er den sichtlich erleichterten Kulturarbeiter frei.
Das Urteil ist noch nicht rechtsgültig. (mii, smo)