1. Mai: VfGH gibt Demonstranten Recht

kupf.at/blog
Die, 2011-06-14

Seit der Strafprozessnovelle 2008 haben wir immer wieder erleben müssen, dass der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) Maßnahmenbeschwerden bezüglich konkreter Amtshandlungen der Polizei aufgrund einer Rechtsunklarheit nicht zulässt und sich für unzuständig erklärt. Somit wurde Opfern von polizeilichem Fehlverhalten eine wichtige Möglichkeit genommen, gegen ein solches Beschwerde einzulegen und die Arbeit der Polizei einer gerichtlichen Nachprüfung zu unterziehen.

Auch bei dem Polizeieinsatz bei der 1. Mai Demo 2009 in Linz wurden Demonstrant_innen verprügelt und mit Gewaltanwendung festgenommen. Daraufhin mussten sich diese auch noch vor Gericht wegen „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ verantworten, wurden jedoch alle freigesprochen. Gleichzeitig entschieden sich zwei der Betroffenen mit der Unterstützung ihres Anwaltes und der Rechtshilfe eine Beschwerde gegen das Vorgehen der Polizei beim UVS einzubringen. Kritisiert wurden darin unter anderem Art und Umstand der Festnahme, die Verletzung durch verbotenen Waffeneinsatz und die Fesselung während der Anhaltung.

Der UVS wollte aber zu den konkret kritisierten polizeilichen Zwangsmaßnahmen gegen die beiden Betroffenen keine Stellung beziehen, da er sich durch die neue StPO dafür nicht zuständig fühlte. Er argumentierte die Ablehnung damit, dass durch die neue gesetzliche Regelung in der Strafprozessordnung eine Beschwerde beim UVS angeblich nur mehr möglich ist wenn die Amtshandlung im Bereich der sicherheitspolizeilichen Agenden (eigenmächtiger Handlungen ohne konkrete Straftat im Dienste von Sicherheit und Ordnung) angesiedelt ist und nicht in den kriminalpolizeilichen (nach einer Straftat als Strafverfolgung im Dienste der Justiz). Die Polizei legitimierte ihr Amtshandlung jedoch mit einem vorher angeblich gesetzen Straftat (Widerstand). Dass alle Demonstrant_innen freigesprochen wurden, spielte keine Rolle. Der UVS nahm bei seiner Argumentation Bezug auf den § 106 Abs 1 StPO und dessen Interpretation, dass eine Prüfung der Angelegenheit nur durch ein ordentliches Gericht zu erfolgen hat (die ungleich aufwändiger und teurer ist).

Die beiden Betroffenen richteten daraufhin eine Bescheidbeschwerde an den Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und Anwendung einer rechtswidrigen Norm (Gesetz).
Der VfGH folgte dem Begehren und der Beschwerde und änderte kurzerhand das Gesetz, weil durch das neue Gesetz (StPO) die Gewaltentrennung (von Polizei und Justiz) in Frage gestellt wurde und somit der Trennungsgrundsatz im Bundes-Verfassungsgesetz.

Die beiden Betroffenen haben daraufhin erneut Beschwerde eingelegt. Nun, nach mehr als zwei Jahren und einer VfGH-Entscheidung, kann es endlich zu einer gerichtlichen Nachprüfung der Amtshandlung(en) kommen.

Die ausführlichen juristischen Details findet ihr auf der Homepage des Bündnis gegen Polizeigewalt.