Die juristischen Folgen des 1. Mai in Linz

Bildpunkt
Fre, 2010-01-01

Nun ist es ein halbes Jahr her, seit die Linzer Polizei die alternative 1.-Mai-Demonstration verhindert und zerschlagen hat. Zeit, eine kurze Zwischenbilanz zu ziehen. Fünf Personen wurden verhaftet und wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt und teilweise wegen schwerer Körperverletzung angezeigt. Ein Verfahren wurde eingestellt, drei Verhandlungen durchgeführt. Zwei Beschuldigte wurden rechtskräftig freigesprochen, ein weiterer zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. In diesem Verfahren ging die Verteidigung in Berufung und ist optimistisch, dass auch hier in zweiter Instanz ein Freispruch erfolgt. Am 5. November findet der Prozess gegen den Vizerektor der Linzer Kunstuniversität, Rainer Zendron, statt. Die Staatsanwaltschaft wollte das Verfahren einstellen, eine Intervention des Justizministeriums verhinderte dies jedoch. Von den ursprünglichen Anklagepunkten (zweimal Widerstand, einmal schwere Körperverletzung) blieb einmal Widerstand übrig. Der Umstand, dass auch eine prominente Persönlichkeit von der Polizeiaktion betroffen war, ist ein glücklicher Zufall, sorgte für das enorme öffentliche Interesse und war eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Medien- und Solidaritätsarbeit.

Das unmittelbar nach der Demonstration gegründete Bündnis gegen Polizeigewalt – für Demonstrationsfreiheit, das von über 160 Organisationen und Initiativen unterstützt wird, kümmert sich vor allem um die Öffentlichkeitsarbeit, die „klassische“ Soliarbeit wird u.a. von der Autonomen Rechtshilfe Linz organisiert. Stärke und Glaubwürdigkeit des Bündnisses speisen sich wesentlich aus der heterogenen Zusammensetzung: von autonomen Gruppen, praktisch der gesamten freien Kunstund Kulturszene, über politische Jugendorganisationen bis hin zu den Kinderfreunden und der Volkshilfe. Zweiter glücklicher Zufall war, dass das Videomaterial des ORF und der Polizei selbst, den Angaben der Beamten eindeutig widersprach und so zu den beiden Freisprüchen führte. Äußerst bedenklich erscheint der Umgang der Exekutive mit dem Material. So ließ die Polizei das eigene Video „unter den Tisch fallen“. Die Verteidigung kam erst wenige Tage vor dem ersten Prozess über Umwege zu dem Polizeivideo, das letztlich die Unschuld des Angeklagten belegte. Die aussagenden Polizisten und die Staatsanwaltschaft wussten nichts von diesem Video, das somit für einen Knalleffekt in der Verhandlung sorgte. Auch beim zweiten Freispruch war ein Videobeweis ausschlaggebend. Das Gericht stellte fest, dass die Angaben der Beamten so nicht stimmen konnten und sprach den Angeklagten im Zweifel frei.

Mittlerweile geht die Verteidigung ihrerseits in die Offensive. Anwalt René Haumer brachte eine Sachverhaltsdarstellung beim Büro für interne Angelegenheiten (BIA) ein, die sich mit dem Verhalten von vier Polizisten beschäftigt. Es bestehe der Verdacht des Amtsmissbrauchs und der Körperverletzung. Nicht nur die Gerichte sind beschäftigt. Die Nationalratsabgeordneten Peter Pilz und Sonja Ablinger brachten parlamentarische Anfragen ein. Die Volksanwaltschaft und der Menschenrechtsbeirat ermitteln. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat sind drei Beschwerden anhängig. Das Bündnis ist überwältigt von der großen Solidarität aus ganz Österreich und sieht sich darin bestätigt, abseits der konkreten Prozesse, auch die demokratiepolitischen Aspekte der skandalösen Vorfälle vom 1. Mai zu thematisieren. Das durch den Polizeieinsatz infragegestellte Demonstrationsrecht muss auch in Linz wiederhergestellt werden. Die Bündnisorganisationen werden nicht ruhen, ehe dieses Ziel erreicht ist.
Informationen, Spendenkonto, Pressespiegel, Videos uvm. gibt’s auf gegenpolizeigewalt.servus.at und antifa.servus.at.

Vanessa Gaigg (AKS) und Christian Diabl (KAPU) sind SprecherInnen des Bündnis gegen Polizeigewalt – für Demonstrationsfreiheit.