Natürlich ist das reine Angstmache
Rainer Zendron über Sicherheit und "den Detlef"
Der ehemalige Vizerektor der Kunstuniversität in Linz, Rainer Zendron, wurde bei einer Demonstration am 1. Mai brutal und ungerechtfertigt von der Polizei niedergeschlagen und anschließend verhaftet, weil er einer jungen Demonstrantin helfen wollte.
Klipp & Klar: Wurde Ihr Vertrauen in die Exekutive durch den Polizeieinsatz bei der 1.Mai-Demonstration erschüttert?
Zendron: Wenn ich ehrlich bin, hatte ich auch vor den Ereignissen kein ungebrochen positives Verhältnis zur Staatsgewalt. In den letzten zehn Jahren lieferten Polizei und Gerichte immer wieder Beweise dafür, dass autoritäre Phantasien unsere Staatsorgane mehr prägen als Demokratie und BürgerInnenrechte. Besonders sieht man das daran, wie Polizei und Gerichte mit ZuwandererInnen und Asylant_innen umspringen, wie zum Beispiel bei der Tötung Omufumas (Asylwerber, Anm.) durch die Polizei. An der Polizeigewalt beim Maiaufmarsch hat mich jedoch besonders erschüttert, dass damit erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg eine Maidemonstration durch die Polizei verhindert wurde; ein Aufmarsch mit 120-jähriger Geschichte. Als Minimum fordere ich eine lückenlose Aufklärung wer für dafür verantwortlich ist sowie eine öffentliche Entschuldigung der politisch verantwortlichen Innenministerin.
Klipp & Klar: Werden Sie zukünftig weiterhin auf Demonstrationen anzutreffen sein?
Zendron: Natürlich. Denn wenn der Staat restriktiver wird, steigt die Bedeutung von politischen Manifestationen gegen alle Einschränkungen demokratischer Freiheiten.
Klipp & Klar: Im Landtagswahlkampf 2009 war Sicherheit ein bestimmendes Thema, unter anderem wurde vor hoher Kriminalität gewarnt. Populistische Angstmache oder besteht ein reales Sicherheitsproblem?
Zendron: Natürlich ist das reine Angstmache. Die objektive Sicherheitslage hat sich über Jahrzehnte nicht wesentlich verändert. Es wird vorgetäuscht, dass es ein Sicherheitsproblem gibt, obwohl es in Wirklichkeit soziale und ökonomische Probleme gibt. Das Problem ist, dass die Sozialdemokraten (aber auch die ÖVP) seit 15 Jahren vor den Rechtsradikalen zurückweichen und oft auch versuchten, diese Rechtsaußen zu überholen. Wenn es jetzt in der Krise zunehmend auch gegen die Wählerschichten der SP gehen wird, ist diese öffentliche Hysterie und Feindbildung jedoch nicht mehr so einfach zurückzunehmen. Sozial Schwache müssen dies in Zukunft verstärkt ausbaden.
Klipp & Klar: In Wels ist sie bereits im Einsatz und auch in Linz wird sie- auf Drängen der FPÖ und mit Zustimmung der SPÖ- kommen: die Stadtwache. Welche Vorteile bzw. Nachteile bringt sie mit sich?
Zendron: Ich sehe in der Privatisierung der Polizei nur Nachteile. Letztendlich wird es zu beständigen Auseinandersetzungen zwischen zwei Gruppen von Deklassierten kommen. Die einen, welche sich aus der Arbeits- und Perspektivenlosigkeit in die Stadtwache geflüchtet haben und die anderen, die von der Stadtwache schikaniert werden. Besonders erschreckend ist für mich, dass in Zukunft der Detlef (Obmann der Linzer FPÖ, Anm.) bestimmen kann, auf welche Gruppe er seine private Leibgarde schwerpunktmäßig hetzen darf. Die Presse wird nach solchen Auseinandersetzungen dann naturgemäß gerade in
jener Szene Problemherde erkennen.
Klipp & Klar: Wohin sollte sich die Sicherheitspolitik in Oberösterreich in den nächsten Jahren entwickeln?
Zendron: Die wirkungsvollste Sicherheitspolitik ist eine gute soziale Absicherung für alle, eine expansive Bildungspolitik sowie der breite Kampf gegen rechtsradikale, minderheitenfeindliche und sexistische Propaganda.
Das Interview führte Philipp Stadler