1. Mai Linz: Abgründe polizeilicher Ermittlungsarbeit
Da sich die Ereignisse überschlagen hier nach zwei Wochen ein weiteres Update zum 1. Mai in Linz. Der letzte Bericht (zur Sachverhaltsdarstellung an das BIA und den fragwürdigen Aussagen von Polizisten vor Gericht) kann auf der Seite vom Bündnis gegen Polizeigewalt oder auf http://at.indymedia.org/node/15952 nachgelesen werden.
Oberstleutnant Christian Moser
Unerwartet ist, wie medial am Montag den 20. Oktober schon ausführlich breitgetreten, beim Untersuchungsausschuss zur Klärung diverser Justiz- und Spitzelaffären ein e-mail des von Christian Moser vom Einsatzreferat des Linzer Stadtpolizeikommandos aufgetaucht, das weitere Auskunft darüber gibt, wie polizeiintern Aussagen abgesprochen bzw. angeordnet werden. Das Einsatzkommando forderte einen beteiligte Polizisten auf, zu dem Vorfall eine Zeugenniederschrift zu verfassen – und lieferte "einen Vorschlag" gleich mit. Für Peter Pilz "[...] ein klarer Fall von versuchter Anstiftung zur falschen Beweisaussage“ (OÖN, 21.10.09)
Es muss jedoch auch angemerkt werden, dass der kontaktierte Beamte in Mondsee sich nicht an die Anordnung hielt und seine eigene Wahrnehmung und Erinnerung zu Papier brachte (nach der er für gar keinen Pfeffersprayeinsatz verantwortlich ist). Nachstehend das gesamte e-mail, das von Christian MOSER an den Kollegen in Mondsee geschickt wurde. Dieser Text wie weitere Aussagen von Uwe Sailer im U-Ausschuss können auf der Homepage von Peter Pilz (http://www.peterpilz.at) nachgelesen werden (Tagebucheintrag vom 19. Oktober 2009).
"Grüß dich Kollege!
Das ua. Angehängte Schreiben des Kripo-Sachbearbeiters MEMIC bedeutet folgendes:
Eine dunkle Frau ist besprüht worden, war beim Angriff auf die EE-Kette mit dabei, hat was abbekommen, ging dann ins Krankenhaus, meldete sich verletzt und behauptet nunmehr aus rassistischen Gründen besprüht worden zu sein.
Bitte eine ZEUGENNIEDERSCHRIFT mit deinem PI-Kdten machen, sehr kurz und bündig; das mit dem Personalblatt jetzt noch nicht, so weit sind wir noch lange nicht, nur weil eine Besprühte glaubt sie muss die Rassismuskeule schwingen.
Inhalt der NS sinngemäß: „Ich habe einen rechtswidrigen Angriff auf die EE abgewehrt, es handelt sich hierbei um das Delikt des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt und versuchter schwerer Körperverletzung durch zahlreiche unbekannte Täter zu meinem Nachteil und zum Nachteil meiner Kollegen in der Kette. Ich sprühte somit in Notwehr und Nothilfe. Ich kann mich / ich kann mich nicht an eine dunkle Frau erinnern.
Das Besprühen aus rassistischen Gründen ist eine Unterstellung, die jeder Grundlage entbehrt und meiner Ansicht nach den Tatbestand der Verleumdung darstellt.
Mehr kann ich dazu nicht angeben."
Das ist nur ein Vorschlag, länger soll´s nicht werden und inhaltlich drückt es wohl eh alles aus. Einmal per mail an mich, einmal im Original mit Unterschrift im Kuvert mit der Dienstpost an mich. Ich speichere bei mir ab und leite an den Kollegen MEMIC von der Kripo weiter.
Bitte mit dem Kdten besprechen, bei Bedarf Rücksprache mit mir.
Christian MOSER, Obstlt"
Laut Medienberichten hatte die Demonstrantin der Polizei den Vorwurf gemacht "aus rassistischen Gründen" mit Pfefferspray besprüht worden zu sein. Bei der genannten Demonstrantin handelt es sich um eine der beiden Beschwerdeführer_innen der UVS Beschwerde zum Pfeffersprayeinsatz (die vom UVS im September gegen die verletzten Demonstrant_innen entschieden wurde), wobei ein Vorwurf des rassistischen Profiling nicht Gegenstand der Beschwerde war.
Oberstleutnant Christian Moser ist im Übrigen der Polizist auf dessen Initiative hin jene Demonstrantin wegen „schwerer Körperverletzung“ verhaftet wurde deren Verfahren danach von der Staatsanwaltschaft eingestellt wurde.
Weitere E-Mail-Absprache
Das von Peter Pilz präsentierte E-Mail ist nicht der einzige Beleg für eine Absprache über Aussagen. Auch im Ermittlungsverfahren das dem zweiten Freispruch im September voran ging findet sich ein Beleg dieser polizeiinternen Praxis. In einem E-Mail bittet der ermittelnde Kriminalpolizist S. den als Zeugen bei der Verhandlung geladenen Polizisten GI F. auf, seine Meldung mit der des Kollegen RI G. abzustimmen:
"Liebe Kollegen.
Ich ersuche euch um eine Stellungnahme zu o.a. Amtshandlung, für den Teil, wo ihr bei der Amtshandlung anwesend, bzw. mit dem Beschuldigten/Täter Z. befasst ward.
Für Koll. F.: s. Bericht Koll. G. und weiters um Angabe, wer die Zielperson war. (vermutl. Akte E., 23395/2009)"
Als Ergebnis dieses Prozesses der Ermittlungen fanden sich zwei fast gleichlautende Amtsvermerke im Akt. Sowohl das E-Mail sowie Auszüge aus den beiden Amtsvermerken befinden sich als .pdf auf der Homepage vom Bündnis. Vergleicht selbst:
Im Amtsvermerk des Herrn RI G. ist zu lesen:
"[...] Es wurden diese bevorstehenden Greiftruppaktionen von "Lentos 50" in Ruhe vorbereitet und auf die Problematik von wahrscheinlich anstehenden Widerständen hingewiesen, zumal dies von der Demonstrantenseite auch angekündigt wurde.
Nachdem eine Person, welche sich augenscheinlich als "Rädelsführer" hervortrat, als Zielperson für den Zugriff bestimmt wurde und dieser aufgrund eines taktisch günstigen erscheinenden Zeitpunktes ausgelöst wurde, drang "Lentos 50" in der Stärke von 7 Einsatzbeamten in den "schwarzen Demoblock" ein, [...]. Z. erkannte offenbar sofort, wer Zielperson unseres Zugriffs war und begann noch während unseres Eindringens das Ergreifen desjenigen zu verhindern. Er versuchte, die Person nach hinten in die Demonstrantenmenge zu reißen bzw. in weiterer Folge ihn aus den Festhaltegriffen der zugreifenden Einsatzbeamten loszureißen.
Gleichzeitig drang er vehement mit seinem Körper gegen uns und schlug bzw. trat mit seinen Beinen gegen die zugreifenden und absichernden Beamten."
Im Amtsvermerk des Herrn GI F. ist zu lesen:
"[...] Diese Greiftruppaktion wurde von "Lentos 50" noch in einem sicheren Bereich (hinter dem eingekesselten "schwarzen Block") vorbereitet und abgesprochen. Es wurde auch auf die Wahrscheinlichkeit heftiger Widerstände hingewiesen, da dies von den Demonstranten bereits lautstark angekündigt worden war. [...]
Nachdem eine Person, welche augenscheinlich als "Rädelsführer" auftrat, als Zielperson für einen Zugriff bestimmt worden war, drang "Lentos 50" in einem taktisch günstig erscheinenden Zeitpunkt in der Stärke von 7 EB in den "schwarzen Block" ein. [...] Z. erkannte offenbar sofort die Situation und begann noch während unseres Eindringens, die Zielperson nach hinten in die Demonstration zu reißen bzw. versuchte, diese Person [...] aus den bereits erfolgten Festhaltegriffen der zugreifenden EB. loszureißen.
Gleichzeitig drängte er mit seinem Körper gegen uns und trat mit den Beinen sowohl gegen mich, (meine Beine) als auch gegen die zugreifenden EB."
Ein hübsches Durcheinander
Im Gegensatz zu dem immer wieder beteuerten Bemühen der Polizei die Vorkommnisse am 1.Mai restlos aufklären zu wollen ist es gerade dieser Apparat der sich immer mehr in Widersprüche verstrickt und immer mehr Fragen aufwirft als diese zu klären. Für die Prügelorgie gibt es im Großen und Ganzen zwei Erklärungstheorien. Entweder es war eine von höherer Stelle bewusst angeordnete und gesteuerter Eskalationsstrategie oder (für was immer mehr Indizien sprechen) die Beamt_innen der Einsatzeinheit Lentos haben auf eigene Initiative gehandelt und sich den Anordnungen der Linzer Polizeiführung widersetzt. Entweder die Verantwortlichen ließen prügeln oder haben es nicht geschafft dies zu verhindern. Wie mensch es auch dreht und wendet, es bleibt skandalös.
Die Theorie der unfähigen Führung bzw. nichtfunktionierenden Befehlskette wird durch manche Aussagen genährt. So bestätigte der Anwalt Wolfgang Moringer, der am 1.Mai bei der Demo anwesend war: „Ich sagte zu Magister Fuchs [Anm: stv. Polizeidirektor von Linz]: Zieht’s euch doch zurück, dann ist in fünf Minuten eine Ruhe. Doch der Behördenvertreter konnte sich nicht gegen den Wachkörper durchsetzen.“ (nachrichten.at, 05.05.2009) In der Zeitung Österreich war zu lesen: "Auch intern spricht man in der Polizeiführung von „unglücklichen Verquickungen von Umständen. Die Einsatzleitung hätte stets auf Deeskalation gesetzt, sei dann aber von der Entwicklung überrascht worden. „Da sind einige wenige plötzlich ausgezuckt“, so ein Insider." (Österreich, 15.10.2009) Und laut ORF OÖ rückt nun auch der Linzer Polizeidirektor Walter Widholm von der bisher gebrauchten Solidarisierungen mit den im Einsatz verwickelten Beamt_innen ab und meint nun "[...] das Verhalten einzelner müsse überprüft werden" (ooe.orf.at, 15.10.2009). Herr Widholm wird es sich jedoch nicht so leicht machen können die Verantwortung für den gewalttätigen Überfall auf die Demo am 1.Mai einzelnen Beamt_innen unterer Dienstgrade zuzuschanzen, als Verantwortlicher der Behörde wird er auch selber seine Verantwortung dafür übernehmen müssen. Ob das passieren wird?
Autonome Rechtshilfe (Linz)