Der 3. Prozess in der Causa Erster Mai endet mit einem Freispruch

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Don, 2009-09-17

Am 2. Verhandlungstag gegen Günther wurde von Seiten seines Anwalts ein weiteres Video, das von einem ORF Kameramann gefilmt wurde vorgelegt, welches eine detailliertere Perspektive auf das Geschehen zeigt.
In diesem Video sind wie zu erwarten war, keine strafbaren Handlungen des Angeklagten zu sehen. Die Anklage bestand aus 2 Punkten: 1. die Verhaftung des bereits rechtskräftig freigesprochenen Hansi verhindert haben zu wollen, indem er diesen zurückgerissen haben soll, sowie 2. einen Tritt in den Bauch eines Polizeibeamten gesetzt zu haben - ohne diesen verletzt zu haben. Beide Anklagepunkte beruhen einzig und allein auf Aussagen der damals eingesetzten Beamten der Einsatzeinheit Lentos. Weiters belegte dieses Video, dass ein Polizeibeamter, Revierinspektor G., der am ersten Prozesstag im Verfahren gegen Günther belastend gegen diesen Aussagte, wohl eine gänzlich andere Wahrnehmung zu dem Geschehen am ersten Mai hatte, als auf dem Video zu sehen war. Es handelt sich hierbei um jenen Beamten der auf etlichen Videos u.a. auf dem ORF Video und dem Polizeivideo, in etwa ein dutzend Mal auf den bereits freigesprochenen Hansi einprügelt. Für Anwesende bei der Verhandlung könnte sogar der Eindruck entstehen, er spricht von einem gänzlich anderen Vorfall. Er behauptete, dass bevor er seinen Schlagstock einsetzte, Günther einen Fusstritt in den Bauch seines Kollegen, Gruppeninspektor F. abgegeben haben soll, sowie versucht haben soll Hansi vor dem Zugriff der Beamten nach hinten in die Menge zu ziehen. Das ORF Video zeigt ebenfalls wie das Polizeivideo, dass es sich wohl so nicht zugetragen haben kann, denn die Beamten stürmen auf die eingehängten schunkelnden Demonstrant_innen zu und innerhalb einer Sekunde beginnt RI G. mit seinem Schlagstock auf Hansi und Günther einzuschlagen. Trotz mehrmaligen Nachfragens Seitens des Anwalts, Richters und Staatsanwalts bleibt RI G. bei seiner bereits ausgesagten Wahrnehmung... Sein Kollege GI F. (eben jener, der laut Anklageschrift einen Fusstritt in den Bauch bekommen haben soll) schildert die Vorfälle doch ein wenig anders. Er steht wie im Video zu sehen ist, zu Beginn des Zugriffs der Polizeibeamten, gar nicht in Fusslänge des Angeklagten. Hansi, sowie RI G. stehen zwischen ihm und Günther, somit kann ein Fusstritt gar nicht möglich gewesen sein.
Er kann sich im weiteren Verlauf der Verhandlung allerdings auch nicht mehr genau erinnern wann denn dieser Fusstritt genau passiert sein soll. Der Angeklagte Günther steht ihm auch nie direkt gegenüber. Erst im späteren Verlauf der Amtshandlung steht Günther mit dem Rücken zu GI F., was wohl etwas schwierig sein dürfte in so einer Position und mit so geringem Abstand - maximal 30-40cm einen Fusstritt nach hinten in Bauchhöhe zu setzen, wenn gleichzeitig von allen Seiten an ihm gezogen wird. Weiters räumt GI F. ein, dass er nicht 100%ig ausschliessen kann, dass dieser Tritt im Zuge des Tumults während des Einsatzes passiert sein kann. Somit fällt der Vorwurf des Vorsatzes und eine Verurteilung wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt. Staatsanwalt und Richter benötigen keine weiteren Zeugen mehr. Günther wird von beiden Anklagepunkten "im Zweifel für den Angeklagten" freigesprochen. Ein weiteres brisantes Detail legt der Anwalt während der Verhandlung dem Gericht vor. Bevor GI F. seinen Bericht verfasste, erhielt er per Email einen Hinweis auf den bereits angefertigten Aktenvermerk Hansis um seine Wahrnehmung mit der Wahrnehmung des Beamten der diesen Akt verfasst hat abzustimmen. Das Gericht befindet jedoch, dass ein solches Verhalten von Polizeibeamten zulässig sei, weil Polizeibeamte bei ihren Amtshandlungen ja auch immer Zeugen seien und eine gemeinsame Wahrheitsfindung wohl eher zielführender sei, als eine alleinige. Inwieweit das wohl an Absprache grenzt sei dahingestellt...
Ein weiteres interessantes Detail ergab die Zeugenaussage von GI F., dass ein Kollege der Einsatzeinheit Lentos zur Einsatzleitung auf deren Befehl hin, die Leute aus dem Kessel zur zwangsweisen Identitätsfeststellung herauszuholen, gesagt hat "das wird aber weh tun". Somit die Einsatzleitung ganz bewusst eine Eskalation der Situation von Seiten der Polizei provoziert hat.
Ein Schlagstockeinsatz jedoch wurde von der Einsatzleitung nicht angeordnet, d.h. die handelnden Beamten entschieden selbst ihren Einsatzstock zu gebrauchen.
Es stellt sich nun einmal mehr die Frage, warum die Staatsanwaltschaft verabsäumt, RI G. der seinen Schlagstock doch eher, wie schon der Richter im Verfahren gegen Hansi feststellte - wie einen Knüppel aus dem Sack - springen lässt, nicht wegen falscher Zeugenaussage vor Gericht von Amtswegen her angeklagt wird.
Anscheinend ist es in Österreich usus, dass Polizeibeamte ihre Wahrnehmung wie ein Rädchen im Wind drehen können, sowie offensichtliche Falschaussagen vor Gericht tätigen können und ungeschoren damit davonkommen.
Warum wundert uns das nicht?
Eine weitere Frage wird mit dem 2. Freispruch ebenfalls aufgeworfen, warum gilt "im Zweifel für den Angeklagten" in 2 Prozessen zu den Vorkommnissen zum ersten Mai, in jenem einen jungen ebenfalls unbescholtenen Steirer betreffend nicht? Dieser wurde aufgrund 2er Aussagen von Polizeibeamten, ebenfalls unter Vorlage eines Videos, dass keine strafbaren Handlungen seinerseits zeigt, im Gegenteil seine doch eher sehr unsanfte Verhaftung belegt, sowie einer entlastenden Zeugenaussage, zu einer bedingten Geldstrafe in der Höhe von 360 Euro wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt von der Richterin verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, sein Anwalt legte volle Berufung ein.